Die Seherin der Kelten
Unterholz teilte sich vor ihr, und der Waldboden federte unter jedem ihrer behutsam gesetzten Schritte, als Breaca sich langsam, ganz langsam und von der Seite her an die beiden Rücken an Rücken stehenden Coritani-Krieger anpirschte.
Eine Ewigkeit verstrich, während sie sich lautlos durch das Dickicht vorarbeitete und rings um sie her die Düfte und Gerüche eines regenfeuchten Waldes aufstiegen. Und dann trennten sie nur noch wenige Äste von den beiden Kriegern. Sie waren zwei Köpfe, zwei blasse Ohren mit dahinter zurückgebundenem Haar, zwei bloße Hälse, die ungeschützt geblieben waren, denn kein Krieger der Stämme trug einen Helm oder einen Genickschutz, wenn er jagen ging.
Weiche Moospolster federten unter Breacas Füßen. Ein Blatt streifte ihre Wange. Und plötzlich fühlte der Sklavenverkäufer der Coritani, der ihre, Breacas, Kinder gegen römisches Gold eintauschen würde, die Last ihrer Aufmerksamkeit auf sich.
Mit scharfer Stimme sagte er: »Vorsicht, rechts von dir!«, und der Krieger des Roten Milan drehte den Kopf und fluchte lästerlich. Die Bodicea war nicht einmal mehr eine Armeslänge von ihm entfernt, ein blutbespritztes Gesicht, umrahmt von regenfeuchten Ästen, obwohl er doch geglaubt hatte, dass ebenjenes dichte, scheinbar undurchdringliche Dickicht sein Schutz sei.
Er war schnell, aber Breaca hatte sich ihm von rechts hinten genähert, in einem Winkel, in dem ein Rechtshänder nur unter größten Schwierigkeiten zustoßen kann, es sei denn, er kann seine Klinge noch rechtzeitig umdrehen. Der Krieger versuchte es und verpasste dadurch die Chance, sich fallen zu lassen und wegzurollen, womit er sich vielleicht noch hätte retten können. Dennoch duckte er sich hastig seitwärts, und infolgedessen traf ihn der Messerstoß, der ursprünglich auf seine Brust zielte, in den Unterleib - verletzte ihn jedoch auch dort lebensgefährlich. Selbst in diesem Moment, da er bereits an der Schwelle des Todes stand, war der Coritani noch immer im Stande, anzugreifen, und genau das tat er auch. Er erwischte Breaca an der Wade, ehe es ihr gelang, ihr Messer umzudrehen, ihm mit dem Heft einen harten Schlag gegen die Schläfe zu versetzen und ihm dann die Kehle bis zu den Nackenwirbeln aufzuschlitzen.
Der Sklavenverkäufer mit den eingebrannten Echsenzeichen starb rascher, gefangen zwischen der Bodicea und ihrem Sohn. Breaca packte von hinten den Messerarm des Mannes, und Cunomar stieß ihm seine Klinge in die Brust und dann in die Kehle, so dass der Körper, den Breaca festhielt, zuerst starr wurde, dann erschlaffte und sie ihn zu Boden sinken lassen konnte.
Breaca holte keuchend Luft und beschloss, lieber nicht dabei zuzuschauen, wie die Totenseelen eine nach der anderen ins Jenseits entschwebten. Stattdessen betrachtete sie Cunomar, der einmal tief durchatmete und dann plötzlich auf die Knie fiel und sich erbrach.
»Es tut mir Leid.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wenn du gar nichts empfinden würdest, das wäre schlimm.« Sie hielt Cunomar bei den Schultern und wartete, während er von einer weiteren Woge der Übelkeit erfasst wurde. Er zitterte am ganzen Körper, so wie er es auch zuvor getan hatte, diesmal jedoch von der Anstrengung und der beinahe übermenschlichen inneren Anspannung und der erschreckenden Nähe des Todes. Von der ersten Hinrichtung bis zur letzten war weniger Zeit verstrichen, als man zum Trinken eines Bechers Ale brauchte, dennoch hatte sich diese Zeitspanne wie eine Ewigkeit angefühlt. »Du hast schon oft an Gefechten teilgenommen, aber dies war das erste Mal, dass du als Krieger gekämpft hast. Kennst du jetzt den Unterschied?«
»Große Götter, ja!« Cunomar kniete auf allen vieren und spuckte ein letztes Mal, dann griff er sich eine Hand voll Blätter, um sich den Mund abzuwischen. »Ich dachte immer, den Bären zu erlegen wäre das Schwerste gewesen; aber es ist nicht dasselbe, als wenn man einen Krieger tötet, allein und... völlig schutzlos. Die Krieger der Bärin haben mich doch stets beschützt, damals, als wir im Westen gekämpft haben. Ich hatte ja keine Ahnung...«
Er lehnte sich auf die Fersen zurück. Er war schmutzig: An seinem Gesicht klebten Blätter und Reste von Erbrochenem, und von den Schnittwunden auf seiner Brust rann ungehindert das Blut herunter. Cunomar blickte an sich herab und machte eine entsetzte Miene.
»Sie werden erst später wehtun«, sagte Breaca. »Dann wird der Schmerz allerdings ziemlich stark sein. Airmid hat zwar
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