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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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einherging. Nur mit größter Anstrengung schaffte Breaca es, die Vergangenheit in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zurückzudrängen und sich dazu zu zwingen, wieder in der Gegenwart zu leben. Die Wunde an ihrem Arm brannte mit einer solchen Glut, dass sie Breaca geradezu zu verzehren schien. Sie lag bäuchlings am Flussufer und hielt den Arm so lange ins Wasser, bis dessen Kälte die Haut betäubt hatte.
    Sie hatte die Wange an das nasse Gestein gepresst. Das schwache Licht des Feuers warf zitternde Schatten auf den Fluss. An der Stelle, wo die Leiche des Kuriers an den Felsen hängen geblieben war, kräuselte sich das Wasser in einigen trägen Wirbeln, ehe es weiterströmte.
    Laut sagte Breaca: »Ich habe ihn gar nicht nach seinem Namen gefragt. Es ist schon zu lange her, dass ich in menschlicher Gesellschaft gelebt habe. Ich fange langsam an, mit Menschen weniger behutsam umzugehen, als ich mit einem Pferd umgehen würde.«
    Um ihn brauchst du dich nicht mehr zu kümmern; er ist jetzt in der Obhut der Götter. Du bist es, die Hilfe braucht. Du hattest mich schon einmal um Hilfe gebeten, willst du mich nun ein zweites Mal darum anrufen?
    Die Träumerin der Ahnen war dicht bei ihr. Ihre Stimme stieg aus dem Fluss auf und aus dem Rauch des Feuers, der über dem Wasser schwebte, und sie hatte einen neckischen, doch zugleich auch äußerst bedrohlich anmutenden Unterton an sich. So war es schon immer gewesen, schon von dem Moment an, als sie beide einander das erste Mal begegnet waren, damals, in einer Neumondnacht mitten in einem römischen Feldlager, als Airmid die Ahnin angerufen hatte, den Gouverneur zu töten, in der Annahme, dass sie dadurch Caradoc retten könnten. Der Gouverneur war daraufhin auch gestorben, doch Caradoc verweilte trotzdem noch immer in Gallien. Die Ironie der Geschichte lag schließlich aber vor allem darin, dass statt Caradoc Valerius zurückgekehrt war und dass die Ahnin diesen Tausch auch noch für einen gleichwertigen Ersatz hielt.
    Airmid hatte große Angst vor dieser Träumerin gehabt; gerade Airmid, die doch sonst nichts und niemanden fürchtete. Breaca hatte Airmid damals während ihrer nächtlichen Arbeit unentwegt angetrieben, denn in Breacas Gedanken hatte es nur noch Caradoc gegeben. Später dann hatte sie sich gezwungen, die listige, verführerische Stimme, die sie bis in die dunkelsten Winkel ihrer selbst gelockt hatte, wieder zu vergessen. Nun erinnerte sie sich erneut daran - und wünschte prompt, sie hätte es nicht getan.
    In dem plötzlichen Gefühl des Gefangenseins tastete Breaca nach der hinter ihr verlaufenden Höhlenwand und stemmte den Rücken dagegen, ganz so, wie sie sich verhalten hätte, wenn sie bewaffneten Männern gegenübergestanden hätte. »Das hast du mich auch schon am Eingang der Höhle gefragt, und meine Antwort bleibt die Gleiche: Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, kannte ich dich noch nicht. Jetzt, da ich dich kennen gelernt habe, werde ich niemals wieder um deine Unterstützung bitten. Ich bin nur gekommen, um dich um den Schutz deiner Höhle zu bitten. Du hast mir diesen Schutz gewährt, und dafür bin ich dir dankbar. Jetzt aber werde ich wieder gehen, denn ich möchte dich nicht mehr länger stören.«
    Das Lachen der Ahnin klang wie das Gleiten von Schlangen über Sand und flößte einem größere Angst ein als sämtliche Legionen. Aber wo willst du dich denn jetzt hinwenden, Kriegerin? Und warum?
    »Ich will nach Mona, wohin denn auch sonst? Der Ältestenrat muss darüber informiert werden, dass Silla gestorben ist und Tagos die Herrschaft über die Eceni an sich gerissen hat und dabei auch noch die Unterstützung Roms genießt.«
    Aber willst du dich nicht lieber nach Osten wenden? Du, die du doch die Erstgeborene der königlichen Familie der Eceni bist, du, die du von deinem Geburtsrecht und deiner Abstammung her eigentlich den Torques der Ahnen tragen solltest? Jenen Halsreif, der dir weitervererbt wurde, damit du ihn in Ehren hältst und bewahrst als Beweis dafür, was dir dein Volk bedeutet?
    In dieser Frage lag eine Falle verborgen, doch Breaca konnte sie nicht ausmachen. Also erwiderte sie: »Du hast die Botschaft doch selbst gehört. Es ist im Augenblick zu unsicher, in Richtung Osten zu reisen. Efnís war das offenbar bereits klar, dass ich besser hier bleiben sollte und den Krieg im Westen fortführe; dass nur von hier aus überhaupt noch eine Chance besteht, die Römer aus dem Land zu jagen. Und mit diesen Neuigkeiten

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