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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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ihrem Herzen trug. Wenn ich dich darum bitten würde, würdest du dann für sie sorgen?«
    Das war ein Geschenk, und Valerius gab sich große Mühe, den Schmerz, der in dieser Gabe lag, zu verbergen. Zwar kannte Bellos ihn bereits besser, als mac Calma ihn kannte, doch Bellos war sanfter. Falls er Valerius also die Qual, die dieser in seinem Inneren empfand, ansah, so ließ Bellos sich zumindest nichts davon anmerken. Stattdessen grinste er breit, und mit einem Mal verlor sein Blick den Ausdruck der Unsicherheit und der Vorsicht. Er langte in sein Gürtelsäckchen, um noch etwas mehr Salz hervorzuholen, und hielt es hoch, damit die Stute es ihm von der Hand lecken konnte.
    Ein kurzer Gedanke ließ ihn die Stirn runzeln, dann jedoch lächelte er sofort wieder. »Ich werde sie annehmen«, erklärte er, »und ich werde sie so gut behandeln, wie sie es verdient hat, aber das Fohlen ist der Bruder des Krähenpferdes und muss darum dir gehören. Versprichst du mir, dass du es annehmen wirst und dass du es dann auch behältst?«
    Valerius hatte nicht gewusst, dass der Junge ihnen zugehört hatte, oder dass er bereits so viel Irisch verstand, dass er mac Calmas blumiger Art zu sprechen hatte folgen können. Im Grunde wollte Valerius das Fohlen gar nicht, aber er wünschte sich, dass der Junge sich bei ihm noch etwas geborgener fühlte. Er entgegnete also: »Natürlich werde ich es behalten. Die Iren sind gute Menschen, aber sie wüssten mit Sicherheit nicht, wie man ein Schlachtross heranzieht. Noch nicht einmal dann, wenn es aus dem Himmel direkt auf ihre Koppeln fallen würde.«
    Er strich mit der Hand über den Rücken der Stute und spürte das Zucken ihrer Haut unter seiner Berührung. Er dachte laut nach und erklärte Bellos: »Sie ist zu mager, um die Geburt vernünftig durchstehen zu können, und sie ist schlecht behandelt worden. Wir brauchen Heu und Getreide, um sie damit zu füttern, und tagsüber musst du viel Zeit mit ihr verbringen, damit sie lernt, dir zu vertrauen. So wird sie uns dann behilflich sein, wenn das Fohlen kommt.«
     
    Den Vormittag verbrachten sie mit ihren Planungen, und am Nachmittag holten sie mit einem Karren Futter aus dem Dorf an der Küste heran. An diesem einen Tag verlor Bellos einen großen Teil jener Schüchternheit, die er über die ganzen drei Jahre ihres Zusammenlebens hinweg aufrechterhalten hatte. Valerius beobachtete die Verwandlung und verfluchte sich selbst dafür, dass es erst mac Calmas falscher Besorgnis bedurft hatte, um ihm vor Augen zu führen, was er zu tun hatte.
    Als sie sich schließlich zur Nachtruhe zurückzogen, bemühte Valerius sich nach Kräften, nicht einzuschlafen, und dennoch wurde er bald von einem schwarzen Nichts umfangen, und die Träume in dieser Dunkelheit waren die alten Träume von Verlust und Zerstörung, und in ihnen erklang die ewige Litanei jener, die er getötet hatte.
    Er wachte früh auf und stellte fest, dass Bellos noch eher aufgewacht war und an seinem, Valerius’, Bett als eine Art Guten-Morgen-Gruß ein kleines Tablett abgestellt hatte, auf dem sich etwas Käse, ein noch von der letzten Ernte aufgehobener Apfel und ein Becher mit klarem Brunnenwasser befanden. Er war den unbekannten Göttern, die sich zudem kaum noch für ihn zu interessieren schienen, zutiefst dankbar, dass der Junge jetzt nicht hier in der Hütte war und sah, wie er weinte.

III
     
    Die Leiche des Kuriers trieb den Fluss hinab, der durch die Höhle floss, über Wasser gehalten nur noch von seiner Tunika und seinem Mantel.
    Breaca war keine Sängerin; Monas Gesetze, die Gesetze der Götter und der Ahnen, erlaubten es ihr also nicht, die Totenklage für einen Verstorbenen anzustimmen, doch sie durfte die Anrufung zumindest aussprechen, und das tat sie dann auch. Erst an der Stelle, an der sie eigentlich laut den Namen des Verstorbenen hätte sagen müssen, erkannte sie, dass sie ihn gar nicht wusste. Die Strömung trug den Kurier unterdessen über den Lichtkegel des Feuers hinaus. Breaca hörte noch, wie seine Tunika an irgendetwas entlangschleifte und dann an den Felsen zerriss.
    Sein Geist hatte den großen Fluss bereits überquert und war in das Land jenseits des Lebens geglitten. Er folgte einem Ruf, den nur er hören konnte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als Breaca keine Geister mehr gesehen hatte - ausgenommen die ihrer eigenen Familie, und auch das nur noch während der Schlachten, wenn die Wände zwischen den beiden Welten am dünnsten waren. Jetzt aber sah

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