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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Stute über den blutigen Morast sprang, wusste sie es. Philus hörte sie, beschloss aber offenbar, sich nicht umzuwenden. Auch Tagos hörte Cunomars Bärenheulen, und die ungebändigte Kraft dieses Schlachtrufs stahl für einen Moment seine Aufmerksamkeit.
    Vielleicht wäre er in jedem Fall gestorben; er war noch nie ein Krieger von besonderem Talent gewesen, doch es schmerzte dennoch, ihn ähnlich wie die Sklavenhändler einfach niedergemetzelt zu sehen, mit einem Schwerthieb gegen die Beine, den er nicht mehr abzuwehren vermochte, und dann einem Hieb in die Schulter oberhalb seines Armstumpfs, den er ohnehin niemals hätte parieren können und der folglich sowohl Tagos’ Rippen als auch seine Lunge einfach zerquetschte und dem schließlich der endgültige Schlag auf Tagos’ Kopf folgte, der sein Ziel aber verfehlte, denn Philus hätte sich besser umschauen sollen, hätte wissen müssen, dass Dubornos, der immerhin Tagos’ Vetter war, bereits hinter dem Sklavenhändler stand und dass dieser den Tod eines Blutsverwandten niemals ungesühnt lassen würde.
    Breaca hörte, wie Cunomar Dubornos seinen Glückwunsch zurief, erkannte, wie weit ihr Sohn davon entfernt war, einem Mann einen Sieg zu missgönnen, der doch unter Umständen auch sein eigener hätte sein können. Wahrlich, die Welt hatte sich gewandelt.
    Philus starb also rascher als Tagos, der auf dem Boden lag und mit einem leisen Pfeifen aus einem Riss in der Nase Blasen aus Blut ausstieß. Breaca glitt von ihrem Pferd und kniete in dem immer dichter fallenden Schneegestöber neben Tagos nieder. Ihre Kinder stellten sich in einem Halbkreis um sie herum auf, gemeinsam mit Dubornos und Airmid, die selbst nicht gekämpft hatte, dafür aber die Nacht freigehalten hatte von unerwünschten Geistern.
    Tagos’ Hand war bereits kalt, ihre Innenfläche schmierig und feucht. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, doch kein Ton drang mehr aus seinen zerquetschten Lungen. Er schloss die Augen, und Breaca beobachtete, wie er die Stirn in Furchen legte. Die Augen noch immer geschlossen, schaffte er es schließlich doch noch zu sprechen: »Philus hat einen Boten nach Camulodunum geschickt... Es tut mir Leid. Sie werden von Graine wissen. Gaius folgte ihm, kam aber wieder zurück. Er hätte ihn...«
    Breaca drückte seine Hand. »Gaius hat bereits den Fluss überschritten und befindet sich nun in der Obhut Brigas. Was auch immer er hätte tun sollen, nun weiß er es besser als wir.«
    »So wie auch ich es bald besser wissen werde. Bald.« Der Schatten eines Lächelns huschte über seine Lippen. »Die Eceni haben eine neue Anführerin, eine, die den Willen zum Kampf hat. Sobald der Schnee schmilzt, kannst du dein Kriegsheer aufstellen, und wenn die Legionen dann in Richtung Westen aus Camulodunum hinausmarschieren, wird die Stadt reif sein für ihre Eroberung. Führe deine Krieger mit Weisheit.«
    »So lange mir das vergönnt sein mag. Tagos, mach die Augen auf.«
    Unter Mühen öffnete er sie wieder. Breaca beugte sich über ihn, so dass er sie anblicken konnte, ohne den Kopf drehen zu müssen oder die Augen. Sie neigte sich zu ihm hinab und küsste ihn mit trockenen Lippen auf den Mund, schmeckte das Blut in seinem Atem.
    Leise sprach sie: »Warte auf mich in den Ländern jenseits des Lebens. Denn sowohl Airmid als auch Caradoc werden uns überleben. Und dann wird endlich Zeit genug sein, um herauszufinden, was aus uns beiden eigentlich noch hätte werden können.«
    Das war das größte Geschenk, das sie ihm noch machen konnte, und es war ein Geschenk, das von Herzen kam. Er starb mit vor Freude leuchtenden Augen und mit fest um ihre Hand geschlossenem Griff.

VIERTER TEIL
    Winter A. D. 59 - Frühlingsanfang A. D. 60

XXVII
     
    Am Morgen nach Tagos’ Tod nahm Breaca zum zweiten Mal den Torques der Eceni entgegen, jenen Halsreif der Ahnen, den bereits ihre Mutter getragen hatte und davor wiederum deren Mutter; so wie es schon seit unzähligen Generationen Tradition im Stamme der Eceni war.
    Nichts hatte sich geändert und wiederum auch alles. Denn nicht nur Tagos war gestorben, sondern mit ihm auch Philus; nun mussten sie also tatsächlich gegen Rom in den Krieg ziehen, kein Weg führte mehr daran vorbei. Doch erst als Breaca erwachte, begriff sie dies in seiner ganzen Tragweite. Zunächst lag sie einfach nur da und horchte auf den Wind und wie dieser den Schnee gegen die Wände von Airmids Hütte trieb. In Gedanken träumte sie sich schon einmal bis in den Frühling vor,

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