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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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wieder gutmachen zu können. Jeder wusste, dass Cunomar sich mit jedem Tag, der verging, aufs Neue wünschte, die Mitglieder des Ältestenrats würden ihn endlich dazu auffordern, die Kriegerprüfung seiner drei langen Nächte in der Einsamkeit abzulegen, damit er sich schließlich als jener Mann beweisen konnte, der er doch so verzweifelt gerne sein wollte.
    Als Mutter fühlte Breaca natürlich mit ihm. Als Kriegerin hingegen wusste sie, dass der Junge nicht zum Mann werden konnte, ehe er lernte, sein Temperament zu kontrollieren - und je länger die Mitglieder des Ältestenrats die Aufforderung hinauszögerten, desto unwahrscheinlicher war es, dass er noch jemals den Frieden und die innere Ruhe finden würde, die er für die Prüfung benötigte.
    Ohne diese letzte Anerkennung aber jagte Cunomar den Feind mit dem unbeirrbaren Hass eines verletzten Bären. Selbst die stetig anwachsende Zahl der von ihm getöteten Feinde war nicht dazu angetan, die noch viel zahlreicheren Wunden seiner Seele zu heilen. Sowohl im Wachen als auch im Schlafen war Cunomar stets von einem heftigen Groll umgeben, einem Groll, der ihn umhüllte wie der Nebel, der zuweilen über die Flüsse glitt, zäh und unzerteilbar.
    Aus dem Dunkel der hinter ihr liegenden Höhle hörte Breaca plötzlich die Stimme ihres Vaters, Eburovic. Dein Sohn verzehrt sich nach deiner Liebe. Warum schenkst du sie ihm nicht endlich?
    Eburovic hatte sein Leben für sie gegeben, und sie hatte ihn dafür mehr geliebt als jeden anderen Mann. Lebendig oder tot, sie hatte ihn nie etwas anderes sagen hören als die Wahrheit. Breaca starrte in die Dunkelheit und konnte ihn doch nicht sehen, seine Gegenwart aber umfing sie voller Liebe - so ganz anders, als die Gegenwart der Ahnin sich für Breaca angefühlt hatte. Sie war nicht allein.
    »Jedes Mal, wenn mein Sohn einen der Feinde getötet hat, habe ich für ihn eine weitere Kriegerfeder angefertigt«, erwiderte sie. »Ich habe ihm ein Pferd geschenkt, das ich selbst gezüchtet habe, und mit meinen eigenen Händen habe ich das Messer geschmiedet, mit dem er nun tötet. Ich habe ihn geliebt und war außer mir vor Freude, als Luain mac Calma ihn aus Rom wieder hierher zurückbrachte. Und Cunomar weiß das. Dennoch verlässt er das Rundhaus jedes Mal, wenn ich eintrete, und vom Anbeginn des Sommers bis zu dessen Ende wagt er es nicht, sich mir zu nähern. Mein Sohn ist mir ein Fremder. Er geht mit den Bärinnen auf die Jagd, und ich weiß nicht, wie ich ihn erreichen kann.«
    Und das soll nun der Grund sein, weshalb du ganz allein auf die Jagd gehst, ohne den Wunsch zu haben, ohne die Bitte zu äußern, dass er dich auf deinen Streifzügen begleiten möge?
    Er war ihr Vater; ihm gegenüber konnte sie einfach nicht lügen. Er war ein Geist, und als solcher hatte er Zugang zu den vielen Schichten der Wahrheit.
    »Ich kann nicht gemeinsam mit Cunomar auf die Jagd gehen«, widersprach Breaca. »Denn er würde dann doch ohne Schutz jagen. Allein den Bärinnen ist es zu verdanken, dass Cunomar bereits einige Opfer vorzuweisen hat - und vor allem, dass er von diesen Streifzügen auch stets wieder lebend zurückkehrt. Denn die Bärinnen jagen in Gruppen, und jedes Mal, wenn sie auf die Jagd gehen, sind drei oder noch mehr von ihnen dafür verantwortlich, Cunomar zu beschützen.«
    Die Wahrheit durchdrang die Welten, so dass Breaca plötzlich, ob sie nun wollte oder nicht, ihren Sohn vor sich stehen sah. An einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit wandte Cunomar gerade den Kopf. Er starrte seine Mutter unverwandt an, mit den Augen eines Fremden. Sie erwiderte seinen Blick und versuchte, sich vorzustellen, wie auch Cunomar goldene Tränen weinte, doch es gelang ihr nicht.
    Die Bilder von Graine und Cunomar entwickelten einen Sog und zogen das Bild von Cygfa nach sich, der Tochter Caradocs, die zwar nicht Breacas eigen Fleisch und Blut war, die ihr aber so sehr ans Herz gewachsen war, dass sie zu einer Art Seelenverwandten geworden war.
    Wie Cunomar, so war auch Cygfa damals gefangen genommen und gemeinsam mit ihrer beider Vater, Caradoc, nach Rom verschleppt worden. Genauso wie Cunomar hatte auch sie im Schatten der Kreuze gestanden und sich im Geiste bereits daran sterben sehen. Ganz im Gegensatz zu Cunomar hatte sie jedoch in ihrem Inneren eine Quelle der Kraft entdeckt und war dadurch später eben nicht jener Bitterkeit anheim gefallen, die Cunomar gefangen hielt.
    Nachdem Cygfa ausgezogen war, um ihre langen Nächte in der

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