Die Seherin der Kelten
wo man sie liebt, als später an Rom.
Die Schlangenspeere an den Wänden wichen - immer blasser werdend - in die Dunkelheit zurück. Nur das einzelne, von Feuer umrahmte Zeichen schwebte noch unter der himmelblauen Decke der Höhle.
Erfüllt von einer geradezu verstörend eindringlichen Besorgnis sprach die Ahnin: Es gibt keinen anderen, der dies zu vollbringen vermag, sonst hätte man dich nicht darum gebeten. Wenn du so schnell handelst, wie du nur irgend kannst, ist es vielleicht noch möglich, den Lauf der Dinge aufzuhalten und die Römer wieder zurückzudrängen.
» Versprichst du mir das?«
Ich verspreche dir gar nichts. Nur, dass ich bei dir sein werde und dir, wenn du dich danach sehnst und darum bittest, den Tod schenken kann - oder dich am Leben erhalte, was dann aber möglicherweise ganz und gar nicht nach deinem Willen sein könnte.
Ein beißender Geruch, so als ob irgendetwas verbrannte, ließ Breaca erwachen.
Ihr Umhang lag am Rande der Feuers und schwelte vor sich hin. Die Wunde an ihrem Arm war aufgeplatzt und sonderte übel riechenden Eiter ab. Der Schmerz, der in ihr wütete, war schlimmer als alles andere, was sie jemals erlitten hatte, sogar noch schlimmer als die Schmerzen bei der Geburt ihrer Kinder. Sie starrte in die Dunkelheit und sah nichts und hörte nichts, nur das unaufhörliche Rauschen des Flusses und sein Echo, das die Stille erfüllte.
Nach einer Weile rollte sie sich auf die Seite, dann weiter auf den Bauch. Sie tauchte den angeschmorten Zipfel ihres Umhangs ins Wasser, damit er ihr nicht noch ganz verbrannte. Anschließend trank sie ein wenig und schob dann, mit zusammengebissenen Zähnen, ihren verletzten Arm in den Fluss, damit die stete Strömung ihn sauber wusch.
Später, noch immer auf allen vieren kriechend, fand sie die Satteltaschen des Fremden. Darin befanden sich Wermut, Eisenkraut und Pisang sowie noch diverse andere Arzneikräuter, deren Namen sie nicht kannte und die Efnís dem Kurier mitgegeben hatte, für den Fall, dass er sich auf seiner Reise verletzte.
Airmid hätte gewusst, wie man sie am besten einsetzte. Breaca kannte sich da weniger gut aus, gab sich aber alle Mühe, sie so fachkundig wie möglich anzuwenden, und betete zu den Göttern, nicht jedoch zu der Träumerin der Ahnen, dass sie sie in ihrer Heilung unterstützten.
Danach schlief sie wieder ein und ruhte lange. Als sie erwachte, hatte sich ihre Temperatur gesenkt, und sie zitterte nunmehr vor Hunger, nicht mehr vor Fieber. Breaca wusste, dass das Schlimmste nun überstanden war. Sie nahm etwas von dem Proviant aus den Satteltaschen des Kuriers zu sich und ging dann langsam aus der Höhle, um sich um die Pferde zu kümmern. Die Rotschimmelstute erkannte sie wieder, wieherte leise und zerzauste sanft Breacas Haar, während diese dem Pferd im Gegenzug den Widerrist kraulte und einige Kletten aus der Mähne löste.
In der Zwischenzeit war sie zu einer Entscheidung gekommen und wollte diese nun jemandem mitteilen. Deshalb sagte Breaca laut: »Wir werden noch so lange hier bleiben - hier, wo wir in Sicherheit sind -, bis ich wieder gesund genug bin, um zu reiten, und dann machen wir uns auf den Weg nach Osten. Vielleicht können wir ja doch noch genügend Krieger finden und zum Kampf bewegen, vielleicht finden wir dann auch das Eisen, um sie mit Waffen auszurüsten, und einen, der die Krieger anführt. Wenn wir es trotz aller Anstrengungen nicht schaffen sollten, die römische Flut noch abzuwenden, haben wir es zumindest versucht. Und für den Fall, dass die Legionen tatsächlich kommen sollten, um dich und dein Kleines in die Sklaverei zu verschleppen, dann, das verspreche ich dir, töte ich euch zuvor, oder besser noch die Römer - ehe ich so etwas zulasse.«
Die Stute wusste noch nicht, was Sklaverei bedeutete, sondern hörte nur den leidenschaftlichen Unterton in Breacas Stimme. Sie wandte den Kopf, legte ihr Kinn auf Breacas Schulter und knabberte mit ihren ledrigen Lippen zärtlich an Breacas schweißnassem Haar.
IV
Fast schien der Dreiviertelmond auf der Kuppe des Hügels zu liegen. Ein Zaunkönig begrüßte zirpend den Sonnenaufgang. Das kleine Mädchen namens Graine lag hinter einem kantigen Findling, eine Hand im Nackenfell eines schieferblauen Hundes vergraben, der auf den Namen Stone hörte. Im Gegensatz zu seinem Namen, der so viel wie »Stein« bedeutete, lag der Hund jedoch ganz und gar nicht still da, sondern er zitterte unter der Berührung des Mädchens. Sein Blick
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