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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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dreißig Krieger bei ihm angelangt und wieder auf ihre Tiere gestiegen waren, erklärte Valerius: »Nydd, lass die Standarte in östliche Richtung sinken und heb sie dann wieder hoch. Lass es so aussehen, als ob sie dir aus der Hand gerutscht wäre und du sie dann wieder aufgefangen hättest.«
    Geschickt führte der Standartenträger aus, was ihm befohlen worden war. Für eine Zeitspanne von etwa zehn Atemzügen herrschte Frieden. Die Pferde verlagerten unter ihren Reitern das Gewicht, suchten sich einen besseren Halt. Eine Krähe zog über ihnen ihre Kreise und landete dann auf einer verkümmerten, vom Wind niedergedrückten Eiche. Valerius’ Kampfhund winselte und sog prüfend die Luft ein. Plötzlich wieherte schrill ein Pferd - keines der Tiere von Mona -, und der Frieden verwandelte sich in Chaos und schließlich in einen wahren Höllenlärm.
    Am entgegengesetzten, südlichen Ende des Gebirgspasses kamen beinahe sechshundert Krieger nebeneinander in das Tal geritten. Und weil Longinus sich in der Tat an Valerius’ früheres Manöver erinnerte, wartete auf diese Reiter bereits ein kompletter Flügel, bestehend aus fünfhundert thrakischen Kavalleristen. Der Lärm des Zusammenpralls, als diese beiden Armeen aufeinander trafen, schallte bis zur Meerenge von Mona hinüber.
    Hoch oben auf dem Berg, über dem Blutbad, aber nicht jenseits des Lärms, hob Valerius eine Hand. Er wartete einen Augenblick, entbot den Göttern, welche beide sein Herz besaßen, ein Stoßgebet, und senkte seine Hand dann abrupt wieder.
    »Los geht’s!«
    Noch vor allem anderen wussten die Krieger von Mona, wie man ein Pferd ritt. Ihre Tiere waren trittsicherer als alle anderen Pferderassen dieser Welt, und sie lebten allein für den Kampf. Wenn es sein musste, konnten sie also auch im Galopp einen Berg hinabstürmen, ohne sich dabei die Beine zu brechen. Valerius’ kastanienbraune Kavalleriestute besaß ein Brandzeichen, das sie als von der iberischen Halbinsel abstammend auswies, und sie war wahrlich gut. Er trieb sie also den steilen Berghang hinunter, und einige Augenblicke lang gab es nichts, was er noch hätte tun können, außer sich einfach in der Schwindel erregend steilen Neigung des Pfades zu verlieren, in dem dringenden Erfordernis, so rasch wie möglich zu reiten, und dem Bewusstsein, die Talsohle wohl kaum mehr lebend zu erreichen. Je näher sie dem Fuß des Berges kamen, desto weniger Steine blockierten noch ihren Weg und desto schneller konnten sie galoppieren, bis schließlich alle dreißig Krieger nebeneinander in einer Linie über die Talsohle hinwegstürmten, weit abseits der Reihen der Schlacht, und ihre Pferde aus purer Freude an der Geschwindigkeit rannten.
    Valerius trieb seine Stute noch stärker an, bis sie im gestreckten Galopp dahinflog, bis ihre Mähne ihm ins Gesicht peitschte und ihm die Augen tränten von dem brausenden Wind ihres Tempos. Sein Herz schlug im Rhythmus der wild galoppierenden Pferdehufe, rasend vor Begeisterung, und er spornte die Stute weiter an, erinnerte sie an die Großartigkeit ihrer Ahnen und die ihrer Fohlen, die sie eines Tages noch austragen würde. Einst, als Kind, hatte er von genau diesem Ritt geträumt, oder zumindest von etwas Ähnlichem, und jedes Mal wenn er so in einen Kampf ritt, erfüllte ihn stets der gleiche Jubel. Ganz gleich, wie erschöpft er war, ganz gleich, wie betrunken, ganz gleich, wie zermartert von Sorgen oder überladen mit Verantwortung er auch gewesen sein mochte - bei jeder neuen Schlacht, die anstand, war Valerius von den Eceni für die Dauer dieses einen stürmischen Ritts wieder frei, mochte die ganze Welt in einem einzigen Krieg toben, ihn jedenfalls berührte dies nicht.
    Vor ihm lagen nun die Zelte der Kavallerie, fünf Reihen von Offizierszelten, unmittelbar am Eingang des Tals. Die Späher glaubten, dass Braint in einem von ihnen gefangen gehalten würde, aber keiner hatte bislang herausfinden können, in welchem.
    Noch ehe seine Stute zum Stehen kam, war Valerius bereits aus dem Sattel gesprungen, seine Klinge angriffsbereit in der Hand.
    Krieger rannten von allen Seiten auf ihn zu, bereit, die Wachen zu töten. Doch es gab keine Wachen; nur selten verschwendete Longinus das Leben seiner Männer. Valerius benutzte sein Gürtelmesser, um die Seite des größten der Offizierszelte aufzuschlitzen, fuhr mit der Klinge einmal aufwärts und dann quer hinüber, so dass ein weißes Dreieck ins Innere fiel und er durch die so entstandene Öffnung eintreten

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