Die Seherin der Kelten
zustürmen hieß.
Wir werden die Ablenkung sein, die Braint die Flucht erlaubt. Wenn wir es schaffen, den Pfeil von Mona zu bilden, und hart genug reiten, dann können wir ihre Reihen womöglich durchbrechen. Obgleich ich nichts verspreche. Diejenigen, die bei mir bleiben, haben in jedem Fall die geringste Überlebenschance von allen.
So hatte Valerius gesprochen, ehe sie Mona verließen, und, entgegen allen Erwartungen, hatten vier Frauen und zwei Männer sich tatsächlich erboten, bei ihm zu bleiben, während Braint in Sicherheit gebracht wurde. So diszipliniert wie auch jede von Rom ausgebildete Kavallerie folgten sie ihm nun, während er sie der einzigen Schwachstelle in der feindlichen Linie entgegenführte, einer Lücke, die kaum so breit war wie ein Pferd und zwischen dem Standartenträger und jenem Waffenschmied klaffte, den er noch aus vergangenen Zeiten her kannte: Der Mann hatte es noch nie fertig gebracht, nüchtern in eine Schlacht zu reiten.
Die Unaufmerksamkeit dieses einen Mannes erlaubte es ihnen schließlich tatsächlich, die Reihe zu durchbrechen. Pferdeleiber prallten donnernd gegen Pferdeleiber, als die breite Kante von Valerius’ lebendigem Keil auf die Linie des Feindes traf. Klingen prallten gegen Klingen, Eisen sang klirrend, Funken stoben hoch hinauf, und zwei Männer starben, doch keiner von ihnen gehörte zu den Kriegern von Mona. Sie brachen auf das offene Feld hinaus. Wild gestikulierte Valerius mit dem Arm, bis die Krieger schließlich eine geschlossene Linie bildeten und in Richtung Süden stürmten, um ihr Leben rannten, auf den offenen Eingang des Tals zu.
Doch der Eingang des Tals war nicht mehr offen, war es womöglich nie gewesen. Lange, bevor sie die Talöffnung erreichten, war Longinus bereits dort angekommen, gemeinsam mit der anderen Hälfte seiner Truppe, um die Falle in der Falle in der Falle zuschnappen zu lassen. Quer durch das Tal hindurch zog sich eine geschlossene Reihe von Kavalleristen. Es waren ihrer mehr als einhundert und mit jeweils weniger als einer Speerlänge Abstand zwischen ihnen, und jeder dieser Männer nahm seine Aufgabe so ernst, wie man diese nur irgend begreifen konnte; keiner von ihnen hatte die Absicht, ihn, Valerius, hindurchzulassen.
»Halt!« Valerius vergaß sein Vorhaben für einen Augenblick und riss den Arm empor. In Entsprechung eines Kavalleriebefehls, den sie zwar gesehen, aber doch nie erlernt hatten, zügelten sechs Krieger ihre schwitzenden, schnaufenden Tiere, bis diese stehen blieben.
»Valerius! Ihr Offizier reitet dein Pferd!«
Es war Madb, die da gerade sprach, eine wilde Irin mit schiefergrauem Haar und den klugen, glänzenden Augen einer Dohle, die für Mona kämpfte, weil sie sich dafür entschieden hatte, und nicht etwa, weil ihr Land bedroht wurde. Das Ersatzpferd war von ihr gekommen, ebenso wie die schützende Gegenwart, die Valerius nun in seinem Rücken spürte. Noch nie zuvor hatte er an ihrer Seite gekämpft, und er bedauerte es.
Valerius hielt sein neues Pferd ruhig und blickte in jene Richtung, in die Madb mit ihrer Klinge deutete. Er hatte es bereits entdeckt, hatte es vielleicht schon seit Monaten gewusst, aber es konnte nicht schaden, jetzt so zu tun, als sei die Nachricht neu und als wäre er dankbar für den Hinweis.
Die restlichen fünf Krieger hielten ihre Pferde ebenfalls an und beobachteten die Szenerie. Auf einen Krieger kamen etwa einhundert Kavalleristen, und es gab keinen Ort, wohin sie noch hätten fliehen können, und ohnehin hatte der gescheckte Hengst, der einst Valerius’ Pferd gewesen war, bereits einen Bekanntheitsgrad erreicht, der weit über die Grenzen der Kavallerie hinausging. Sein Zorn und seine Brutalität im Kampf, die er sowohl gegen den Feind richtete als auch gegen seinen Reiter - ausgenommen jenen Höhepunkt in einer jeden Schlacht, wenn Pferd und Reiter zu einer Einheit verschmolzen -, waren geradezu zum Mythos geworden. Das Tier löste sich aus der Masse der herannahenden Kavallerie und stürmte nun geradewegs auf Valerius zu. Madb schnappte überrascht nach Luft, und auch andere taten einen tiefen Atemzug, nicht so dicht an Valerius’ Ohr wie Madb, doch mitunter lauter und noch tiefer aus dem Herzen kommend.
Was konnte man anderes über das Krähenpferd sagen, als dass es die Perfektion auf vier Beinen war? Mit seinen weißen Flecken auf schwarzem Grund erschien es, als ob die Götter flüssigen Schnee über die Decke der Nacht gegossen hätten, und beide waren sie in ihrer
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