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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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unterrichtet zu sein. Und genauso rasch wie Cunomar erkannte auch er den in der Stimme des Prokurators mitschwingenden Unterton und mochte ihn ebenso wenig.
    »Wozu diese Eile, Catus? Wenn der König nun schon seit Anbeginn des Winters tot ist, so wird ein halber Tag mehr oder weniger auch keinen Schaden mehr anrichten. Schließlich haben wir einen Gast, den wir wohl willkommen heißen und dem nach seiner langen Reise erst einmal alle zur Verfügung stehenden Annehmlichkeiten zukommen sollten, ehe er die sterblichen Überreste seines Vaters zu deren letzter Ruhestätte geleitet. Möchtet Ihr etwa, dass unsere Gäste Rom für außer Stande halten, selbst jene einfachsten Höflichkeitsrituale zu befolgen, die doch unter den Stämmen längst gang und gäbe sind?«
    So geschickt wie jeder Kriegsstratege ließ Decianus Catus die Falle, die er geöffnet und die doch kein anderer bemerkt hatte, zuschnappen. »Aber ganz im Gegenteil, Präfekt, ich tue doch gerade mein Bestes, um unserem jungen Gast zu helfen, und er wird mir dafür zweifellos noch danken. Denn wenn der König nun tatsächlich schon so lange Zeit tot ist, dann stehen auf die Gelder, die dem Kaiser von diesem Erbe zustehen, bereits sechs Monate Zinszahlungen aus, die natürlich zu entrichten sind. Wollt Ihr etwa die kaiserlichen Schatzkammern ihrer Rechte berauben? Oder wollt Ihr dem Sohn des Königs gar eine noch größere Last auferlegen als die, unter der er ohnehin bereits zu leiden hat? Wenn dem so sein sollte, braucht Ihr dies nur zu sagen. Wie immer beuge ich mich Eurem Rang.«
    Es war einfach lachhaft. Ganz offensichtlich nämlich beugte der Prokurator sich überhaupt niemandem. Cunomar beobachtete, wie der Präfekt sich in den Nasenrücken kniff. Er sah aus wie ein Mann, der gerade gegen unerträgliche Kopfschmerzen anzukämpfen hatte.
    »Nein«, erwiderte Corvus. »Ich denke, in diesem Fall sollten wir uns Eurer umfassenderen Sachkenntnis beugen. Die Abschriften werden versiegelt im Arbeitszimmer des Gouverneurs verwahrt. Wenn Ihr also bitte so freundlich sein würdet, vorauszugehen?«
     
    Der Boden, die Wände und die Decke der Amtsstube des Sekretärs des Gouverneurs waren mit weißem Marmor verkleidet. Der Tisch wiederum, an dem der Sekretär des Gouverneurs saß, war aus schwarzem Marmor gefertigt, und die darauf stehenden Kerzenhalter bestanden aus purem Gold, gefertigt in der Form von Elefantenköpfen, deren gekrümmte Rüssel Kerzen hielten.
    Cunomar, der zwei Monate als Gefangener in Rom gelebt und in dieser Zeit auch einem Verhör durch den Kaiser beigewohnt hatte, bemerkte sofort das Gepränge dieses Raums und die dahinter stehende Absicht, andere zu beeindrucken. Es war kein schönes Zimmer, doch es strömte förmlich den Geruch nach Geld aus, so stark, dass es einem beinahe die Sinne raubte und jeder, der in diesen Raum geführt wurde, sogleich begriff, dass hier die öffentliche Zurschaustellung der Reichtümer Britanniens stattfand. Und dies war lediglich das kalte, mit Marmor verkleidete Arbeitszimmer des Sekretärs, welches wohl noch zu den bescheidensten Posten auf der langen Liste von Roms Immobilienbesitz zählte.
    Der Sekretär selbst war der kleinste der in dem Zimmer versammelten Männer - selbst von dem zweitkleinsten unterschied ihn noch eine ganze Handbreit -, doch er regierte über diesen Ort, als ob er der Offizier wäre und alle anderen lediglich in seinem Dienste ständen. Cunomar beobachtete den Sekretär, wie dieser die versammelte Menge im Geiste aufteilte in die Käuflichen, die Verschüchterten und die lediglich Neugierigen, sowie in jene, die entweder die Autorität besaßen, ihm einen Befehl zu erteilen, oder aber einen unanfechtbaren Grund dafür anführen konnten, in sein Reich vorzudringen.
    Zum Schluss waren sie nurmehr zu viert. Der Präfekt war der ranghöchste Stellvertreter des Gouverneurs, ihn konnte man also nicht des Zimmers verweisen. Der Prokurator wiederum war nur Nero gegenüber zur Rechtfertigung verpflichtet, und seine Bedeutung überstieg die des Präfekten womöglich sogar noch; zumindest aber überstieg sie die eines Sekretärs, ganz gleich, wie beeindruckend dessen Arbeitszimmer auch aussehen mochte. Und Theophilus war anwesend, weil er den Sekretär im Winter von dessen Gallensteinen kuriert hatte und Letzterer folglich nicht so unhöflich sein wollte, seinen Arzt und Heiler nun vor die Tür zu schicken.
    Blieb also nur noch Cunomar, der ein Barbar war und den man folglich gar nicht erst in

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