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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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roch nach Wein, und mit diesem Aroma vermischten sich auch seine anderen Gerüche: die leicht säuerlichen Ausdünstungen nach dem Genuss von Milch und Käse, die Breaca schon seit dem Moment, in dem die Tür geschlossen worden war, Übelkeit verursachten.
    Sie ließ die Münzen durch ihre Finger gleiten und fragte: »Nützt es denn auch dem Volk, dass du in römischen Reichtümern schwelgst? Können die Kinder das Silber mahlen, um daraus Brot zu backen, wenn das für den Winter eingelagerte Getreide knapp wird? Ich habe gehört, dass die Legionen sämtliche Erträge von den Feldern für sich selbst beanspruchen, und dass die Menschen hungern, weil man ihnen nimmt, was sie doch mit ihren eigenen Händen angepflanzt haben.«
    Tagos’ Gedanken waren aber schon wieder zu anderen Dingen weitergewandert. Breaca bemerkte, wie er sich nun zusammenriss und anstrengte, eine passende Antwort zu finden. »Das Volk kann die Silbermünzen vielleicht in der Tat nicht essen«, entgegnete er, »aber es kann sein Silber dazu verwenden, um sich Getreide zu kaufen, wenn es welches braucht.«
    »Sie sollen sich also das Getreide der Eceni, gewachsen auf den Feldern der Eceni, wieder zurückkaufen, und das auch noch zu einem höheren Preis, als man ihnen dafür gezahlt hat?« Sie war wütend, obwohl sie sich doch geschworen hatte, nicht zornig zu werden. Sie spielte ein wenig mit den Silbermünzen und zwang sich, sich wieder zu beruhigen.
    »Natürlich muss der Gouverneur einen gewissen Profit dabei herausschlagen«, widersprach Tagos. »Er muss ja schließlich seine Armee entlohnen und seine Bediensteten, und er muss außerdem noch Geld an den Kaiser senden. Genauso wie wir. Sieh mal...« Mit einer raschen Bewegung fegte er die klirrenden Silbermünzen von dem Deckel der Truhe und klappte ihn auf. In der Eichentruhe lag ein ganzes Vermögen an unbenutzten, noch sehr sauberen Münzen. Sanft schimmerten sie im Schein der Kerzen. Die Kiste war zwar nur zur Hälfte gefüllt, aber dennoch hätte man Prasutagos einen außergewöhnlich wohlhabenden Mann nennen können, sofern man den Reichtum eines Mannes nach seinem Silber bemaß.
    Breaca grub ihre Hände in die Münzen, beobachtete, wie die kleinen auf die Münzen geprägten Köpfe durch ihre Finger glitten und wieder zurück in die Truhe fielen. Auf diesen hier prangte allerdings nicht der Name ihres Volkes und auch nicht die galoppierende Stute. Stattdessen waren auf ihnen die Köpfe von Claudius und von Tiberius zu erkennen, und der des verrückten Gaius. Einmal erkannte sie auch das Profil von Augustus. Ganz Rom war dort versammelt und fasste in sich die Reichtümer der Eceni zusammen.
    »Dann nimmst du das Geschenk der römischen Münzen also an?«, fragte Breaca.
    Schweigend starrte der Mann, an den sie nun gebunden war, sie eine Weile an und vergaß dabei ganz den Wein und das Bett, das in der Ecke stand. Und in diesem Blick glaubte Breaca langsam die ersten Züge des wahren Tagos zu erkennen, die Züge jenes Tagos, der weder der geschickte Diplomat war noch der übereifrige Jugendliche, sondern der einarmige Mann, der bereits zu viele Schlachten verloren hatte und nicht willens war, jemals wieder zu unterliegen.
    Seine Nasenflügel blähten sich, und auf seinem Gesicht zeigten sich rötliche Flecken. Beinahe unhörbar erwiderte er: »Das ist kein Geschenk. Ganz und gar nicht. Seneca verteilt keine Geschenke. Ich habe einen Kredit von zehn Millionen Sesterzen aufgenommen. Und dafür zahle ich jedes Jahr zehn Prozent Zinsen. Von dem Rest zahle ich Steuern und Bestechungsgelder und kaufe im Winter Korn und im Sommer Weiderechte, und ich kaufe Geschenke für den Gouverneur und seine Frau, damit sie glauben, sie würden von königlichen Hoheiten umschmeichelt. Ich habe Handelswege erschlossen, sowohl über Land als auch über das Meer. Dafür darf ich Steuern von jenen einnehmen, die uns den Wein und die Oliven und die Feigen liefern, damit wir mehr wie echte Römer wirken.«
    Bei diesen Worten begann eine der Wandlampen plötzlich stark zu rußen und ging dann aus. Sie war mit Schafsfett gefüllt gewesen, das man mit anderen Ölen vermischt und damit geschmeidiger gemacht hatte. In Ermangelung von Efnís’ Kiefernharz war der Rauch, der von dem Docht aufstieg, allerdings schwarz, und er stank nach alten Schafsböcken.
    Den Göttern stehen vielerlei Wege offen, um ihre Meinung kundzutun. Tagos hielt inne, starrte die Lampe an und fügte dann wie zu seiner Verteidigung hinzu: »Ich tue

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