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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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das alles doch nur, weil sie auch mein Volk sind, weil ihr Wohlergehen in meiner Hand liegt, und weil ich nicht dabei zusehen möchte, wie sie zu unterwürfigen Dienern degradiert werden, so wie es mit den Trinovantern passiert ist. Rom respektiert bloß zwei Dinge: Waffenstärke und Reichtum. Wenn wir schon nicht mit Ersterem aufwarten können - und das können wir eindeutig nicht und werden es auch nie wieder können, ganz gleich, wie du auch darüber denken magst -, dann müssen wir zumindest Letzteres vorweisen können, oder wir sind weniger wert als Vieh.« Er legte eine kurze Pause ein, überlegte und wandte sich dann auf dem Absatz um. »Wenn du tatsächlich hier bleiben willst, dann musst du einige Dinge einfach verstehen. Also beobachte und lerne.«
    Damit marschierte er an ihr vorbei und riss die Deckel von drei weiteren Truhen auf, die sich an der Wand gegenüber dem Bett aufreihten. Auf diesen Truhen hatten einige Schmuckgegenstände gestanden, die nun hinunterfielen und zerbrachen oder über den Boden rollten: eine kleine grüne Schüssel mit einem vergoldeten Rand, ein simpel gefertigtes Pferd aus Ton, das offenbar von einem Kind stammte, und ein Kamm mit einem langen Griff, auf den in blauer Farbe ein geometrisches Muster gemalt worden war.
    Prasutagos sah einfach über sie hinweg und erklärte: »Nero ist ein Kind, und er besitzt auch nicht mehr Macht über Rom, als ich sie habe. Durch ihn herrschen nämlich zwei andere Männer, und von den beiden ist Seneca derjenige, der so reich ist, dass er davon sogar wieder etwas investieren kann. Und dieses Geld setzt er ein, um damit noch größere Reichtümer zu erzielen. Die hier...«, er riss die erste der Eichenkisten herum, so dass sie auf die Seite kippte, »war einmal voll gewesen. Und die hier. Und diese auch.«
    Von acht Truhen lagen nun drei leer auf der Seite. Tagos stand ganz am Rande des von den Lampen ausstrahlenden Lichtscheins und zitterte, als ob er sich mitten in einer Schlacht befände. Sein leerer Ärmel, der an seiner Tunika festgesteckt gewesen war, hatte sich gelöst, und hastig zog Prasutagos ihn wieder über den Stumpf seines Armes hinunter. An der Stelle, wo Airmid damals die Wunde über dem Knochenstumpf vernäht hatte, war das Fleisch bläulich -rot verfärbt. Darüber aber war es von der Farbe wie der Arm eines jeden anderen Mannes auch, nur dass es etwas blass war, weil es nie dem Sonnenlicht ausgesetzt wurde.
    »Breaca, nicht alle von uns konnten in den Westen fliehen und zu Helden werden«, sagte er. »Seit vierzehn Jahren träume ich jede Nacht aufs Neue davon, dass Amminios’ Krieger nicht nach meinem Arm ausgeholt hätte oder dass ich ihm hätte ausweichen können oder dass ich mein Schwert erhoben hätte, um seine Klinge abzuwehren - dass ich unversehrt geblieben wäre, um mit dir in der Schlacht gegen die Invasion zu kämpfen. Ich habe geträumt, dass wir beide gemeinsam Rom zurückgedrängt hätten, dass ich bei dir gewesen wäre, als du die Kinder und die Krieger von Mona nach Westen geführt hast, um dort den Kampf fortzusetzen. In meinem Traum stehen wir Seite an Seite, und Rom wird wieder zurück in den Ozean gedrängt, wird von ihm verschlungen, um niemals wiederzukehren. Dann wache ich auf, und ich bin wieder ein Krüppel, und die Legionen sind nicht ertrunken, und mein Volk verhungert oder stirbt an Krankheiten oder stirbt unter den Strafen, die ihm die Legionen auferlegen - die die Legionen uns allen auferlegen als Vergeltung für alles, was Rom von den Stämmen des Westens ertragen muss, gegen die es nichts auszurichten vermag.«
    Sie sollte ihn bedauern, und doch vermochte Breaca kein Mitgefühl aufzubringen. Stattdessen sagte sie: »Du sagst also, dass du nun Handel treibst wie ein Römer und dass ich dich dafür nicht verachten soll.«
    »Ja! In Brigas Namen, ja! Die Kinder müssen essen , Breaca. Das ist die Realität, und daran kannst auch du nichts ändern. Du glaubst, du kannst hier hereinreiten, deine Standarte erheben und auf deinen Ruf hin strömen wieder sämtliche Krieger zusammen. Und sobald der Frühling kommt, führst du sie in die ruhmreiche Schlacht, mit der Rom wieder aus dem Land gedrängt wird. Aber so ist es nicht, und so wird es auch nie sein. Verbring du auch nur einmal einen einzigen Winter hier, dann wirst du schon sehen, warum es keine Krieger mehr gibt, die sich um deine Standarte herum versammeln können, warum das gesamte Volk, Männer wie Frauen, gebrochen sind: Sie müssen zu

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