Die Seherin der Kelten
befürchtete.
Prasutagos stand im letzten Licht der Fackeln, und Breaca beobachtete ihn, während er begann, sich mit seiner einen Hand seiner Tunika zu entledigen. Er besaß darin eine fast lebenslange Übung und stellte sich genauso geschickt an wie jeder unversehrte Mann. Der Stumpf seines Armes zeigte sich, nachdem die Tunika hinabgeglitten war, als ein über und über mit Narben überzogenes Stück Fleisch. Unbeweglich stand Prasutagos da und wartete auf eine Bemerkung Breacas. An Mut jedenfalls fehlte es ihm nicht; schweigend hielt er den Blick in ihre Augen gesenkt. Doch auf hunderten von Schlachtfeldern hatte Breaca schon weitaus Schlimmeres gesehen und sagte folglich nichts. Mit einem Nicken streifte er sein Untergewand schließlich ganz ab sowie den Gürtel, der es gehalten hatte.
Er war so nahe dran an dem, wonach er sich schon so lange verzehrte. Er saß auf der Bettkante, und unaufgefordert ließ er die Hand um Breacas Taille gleiten. Er küsste ihre Hand, dann ihren Arm und schließlich ihren Hals. Gedämpft erklang seine Stimme an ihrer pulsierenden Halsader: »Ich werde vielleicht keine Kinder haben, aber ich habe mein Leben, und das werde ich auch behalten. Du solltest also eines wissen: Falls mir ein Leid geschieht oder falls ich sterben sollte oder falls deine Träumer nicht ihr Bestes tun, um mir meine Gesundheit zu erhalten und mir ein langes Leben zu schenken, werden diejenigen meiner Männer, die bereits römische Namen angenommen haben, dafür sorgen, dass die, die dir am meisten am Herzen liegen, unter der darauf folgenden Vergeltung die größtmöglichen Qualen zu erleiden haben. Ist das klar zwischen uns, meine Ehefrau?«
Er benutzte das römische Wort, uxor , da es in keiner der Sprachen der Stämme einen entsprechenden Ausdruck dafür gab. Zwanzig Jahre des Wartens verkörperten sich in diesem einen Wort.
»Vollkommen klar.«
»Wunderbar. Nun sollten wir wohl ein wenig feiern, du und ich. Und wenn du keinen Wein trinken willst, dann gibt es ja auch noch ein paar andere Möglichkeiten, eine solche Übereinkunft zu besiegeln. Es ist lange her, seit sie Caradoc gefangen genommen haben. Du musst also fast ebenso hungrig sein wie ich.«
Er war nackt und verlangte, dass auch sie sich entkleidete. Er war kein Kind mehr und tat sein Bestes, ihr gegenüber aufmerksam zu sein. Breaca lag in der von dem Gestank der Lampen verpesteten Dunkelheit und dachte zuerst an Caradoc, dann an Airmid und an Graine, Cygfa und Cunomar, und schließlich, und das war unvermeidlich, denn sie war nun wieder in der alten Heimat, auch an Bán.
ZWEITER TEIL
Frühling A. D. 58
IX
»Bellos? Bellos, wach auf.«
Regungslos lag der Junge da, das bleiche Gesicht in den schwarzen Torf gedrückt, beide Arme weit von sich gestreckt, als wolle er die Erde umarmen. Valerius kniete neben ihm nieder und versuchte angestrengt, die Erinnerung an seinen nächtlichen Traum abzuschütteln und wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Und das dauerte lange, zu lange. Fest schien sich der Traum an ihn zu klammern, so dass der größere Teil von Valerius im Geiste noch immer auf dem Fohlen der roten thessalischen Stute mitten über ein Schlachtfeld ritt, während er in Wirklichkeit doch Bellos’ rasenden Puls fühlte und die schlaffen Augenlider des Jungen anhob. Genauso wie Airmid vorhergesagt hatte, war das Hengstfohlen aus dem Traum schwarz, und auf seiner Stirn prangten ein weißer Schild und ein schräg nach oben ragender Speer. Und nachdem es erst einmal zu einem ausgewachsenen Hengst herangereift wäre, trüge es seinen Reiter mit der gleichen Leidenschaft wie das Krähenpferd, das einst den Legionen anheim gefallen war.
Für einen Mann, der sein Leben dem Krieg gewidmet hatte, war das natürlich ein Traum, in dem er geradezu schwelgen konnte, ein Traum, bittersüß von der Sehnsucht nach dem Kampf und der Messerspitze voll Hoffnung - und diesem Gedanken an die Hoffnung hing Valerius noch lange nach seinem Erwachen nach. Airmid war schon immer die Gewissenhafteste von allen Träumern gewesen; wenn sich also auch nur die Hälfte ihrer Prophezeiungen bewahrheiten sollte und das Fohlen auch nur zu einem vagen Schatten des Krähenpferdes heranwuchs, dann, so glaubte Valerius, würde allein dies sein Leben bereits deutlich bereichern.
Im Augenblick jedoch schien die Erfüllung dieser Hoffnung nicht mehr allzu gewiss. Denn nachdem Valerius, der sich nur widerwillig aus dem Gebrüll und dem Lärm seiner Traumschlachten hatte
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