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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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keilförmigen Hammer an den Kopf einer fohlenden Stute angelegt, ihr einen gezielten Schlag genau zwischen die Augen versetzt und sie somit vom Schmerz und vom Leben gleichermaßen befreit hatte. Noch während die Stute in den Tod hinüberglitt, hatte Macha den aufgeblähten Unterleib aufgeschnitten und das Fohlen herausgeholt, es ans Tageslicht gezerrt. Das Kleine war noch sehr schwach gewesen, aber es lebte, und es wurde von einer anderen Stute gesäugt und gedieh prächtig. Das Stutenfohlen, das an jenem Tag geboren worden war, wurde schließlich die Mutter des grauen Schlachtrosses der Bodicea, und der Junge, der heranwuchs, um eines Tages zu Valerius zu werden, lernte zu akzeptieren, dass seine Mutter in dem Augenblick genau richtig gehandelt hatte.
    Der erwachsene Valerius hatte bereits seinen eigenen Hammer benutzen müssen, um sowohl Männer als auch Pferde aus einem Leben zu entlassen, das unerträglich geworden war. Es würde ihn also keine allzu große Überwindung kosten, nun erneut seinen Hammer einzusetzen und die Stute von ihren Qualen zu erlösen. Außerdem kannte er die Stute und glaubte darum auch nicht, dass ihre Seele im Land der Toten auf ihn warten würde, so wie es die anderen taten, denen er ohne Grund das Leben genommen hatte und die deshalb auf Rache sannen.
    Bellos dagegen würde sicherlich auf Valerius warten. Seine Liebe zu der Stute war in den dunklen Monaten des Winters immer stärker gewachsen, und es hatte sich eine stille Verbundenheit zwischen den beiden Fremden entwickelt, die es ohne ihre Einwilligung in ein fremdes Land verschlagen hatte. Bellos besaß eine heilerische Begabung; und mit der Zeit und mit einer entsprechenden Ausbildung könnte er diese sicherlich sogar zu seinem Beruf ausweiten. Höchstwahrscheinlich hatte er also gedacht, seine Kameradin würde ihn erkennen, und dass er ihr ihren schmerzhaften Kampf erleichtern könnte, wenn er sich hinter sie auf den Boden legte und versuchte, ihr Fohlen herauszuzerren. Als ein Junge, der in einem Bordell aufgewachsen war, hatte er noch eine Menge über die Natur des Schmerzes und über die Natur der Liebe zu lernen und wie Ersteres die Liebe unter Umständen außer Kraft setzen kann.
    Valerius ließ seine Hand etwas tiefer gleiten und fühlte, wie das Leben nurmehr in unregelmäßigem Takt durch Bellos Kehle pulsierte. In dem chaotischen Durcheinander seiner sich überschlagenden Gedanken wurde ihm plötzlich etwas klar.
    »Wenn ich nun die Stute töte, Kind, wofür willst du dann noch leben? Würdest du bloß für mich wieder ins Leben zurückkehren? Ich glaube nicht.«
    Diese Erkenntnis schmerzte Valerius stärker, als er es für möglich gehalten hätte. Noch einmal strich er die gleiche, widerspenstige Strähne von Bellos’ Haar zurück und sprach: »Bellos, wenn du mich hören kannst, dann verspreche ich dir, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um die Stute am Leben zu erhalten. Falls sie aber trotzdem stirbt, liegt das nicht daran, dass ich es nicht mit aller Kraft versucht hätte.«
     
    Nachdem er diese Entscheidung einmal getroffen hatte, arbeitete Valerius rasch und methodisch. Wenn er also tatsächlich das Unmögliche wagen wollte, musste er zunächst einmal Bellos versorgen. Der Junge wog mehr, als man auf Grund seiner schmalen Statur hätte vermuten mögen, aber es fiel Valerius dennoch nicht allzu schwer, ihn in den einzelnen Raum zu tragen, aus dem die Schmiedehütte bestand. Dort legte er ihn in das Bett und schichtete angewärmte, in wollene Tücher eingewickelte Steine um ihn herum auf. Bellos schaffte es nicht, alleine zu trinken, aber Valerius konnte ihn dazu bringen, etwas breiigen Aufguss aus Schwarzwurz und Pisang zu schlucken, die Valerius zunächst gekocht und dann wieder abgekühlt hatte und in einer kleinen irdenen Kanne aufbewahrte, die eigentlich für jene Frauen gedacht war, die nach der Geburt zu erschöpft waren, um etwas zu sich zu nehmen.
    Als Valerius zurückkehrte, hatte die Stute sich noch nicht bewegt; zitternd lag sie in genau derselben Haltung da, in der er sie das erste Mal hatte daliegen sehen. Bellos konnte ihn nicht bewusst hören, doch es mochte sicherlich nicht schaden, wenn Valerius dennoch mit ihm sprach, ganz so, als ob der Junge ihn von einem anderen Ort aus wahrnehmen könnte. Valerius spürte eine Gegenwart, die ihm über die Schulter blickte, und sagte: »Beobachte und lerne. Vielleicht ist es ja noch möglich, sie beide zu retten.«
    Doch das war keine

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