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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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los. Sprungartig rollte er sich zu einer Spirale zusammen und fiel zu Boden. Mit übertriebener Vorsicht legte sie ihre Kneifzange auf der Werkbank ab.
    Direkt an Graine gewandt sagte sie: »Rom weiß doch ohnehin nichts von der Macht eines Königsreifs. Sie sehen bloß das Gold und erkennen eine gute handwerkliche Arbeit. Aber weder Tonomaris von den Coritani noch Berikos von den Atrebantern werden irgendetwas Vergleichbares besitzen, und dadurch wird sich Tagos von den anderen abheben, wenn wir nächsten Monat aufbrechen, um in Camulodunum den Gouverneur zu treffen - und vielleicht bekommen wir dann ja zusätzliche Handelsrechte. Wenn uns das also helfen sollte, um im nächsten Winter die Verhungernden durchbringen zu können, werde ich diesen Armreif in jedem Fall anfertigen. Und schon bald werden wir auch ein Kriegsheer haben. Ich habe den vergangenen Sommer damit verbracht, jene aufzuspüren, bei denen man darauf vertrauen kann, dass sie sich mir auch tatsächlich anschließen werden. Diesen Sommer werden wir sie für den Kampf ausbilden. Und das ist nichts, das man mal eben so bewerkstelligen kann. Sag das der Großmutter.«
    »Sie kann dich hören«, entgegnete Graine und fügte dann mit leicht verzweifeltem Unterton hinzu: »Und wenn du hinschauen würdest, könntest auch du sie sehen.«
    »Nein.« Breaca wollte nicht hinsehen. Mit steifen Bewegungen nahm sie einen kleinen Rechen und harkte die Asche vom Brennofen. Und ganz so, als ob der Vorschlag Graines Idee gewesen wäre, fuhr Breaca fort: »Und warum soll ich ausgerechnet die Reiherspeere anfertigen? Die sind doch schon seit der Zeit der Ahnen nicht mehr benutzt worden. Ich weiß schließlich auch bloß durch Ardacos von ihnen. Und selbst wenn das tatsächlich eine so gute Idee wäre, müssten die Klingen doch aus unlegiertem Silber angefertigt werden. Und womöglich reicht mein Silber dazu gar nicht aus.«
    Du hast genug Silber dafür. Es liegt in deiner Arbeitskiste. Fertige drei Stück an , sprach die Großmutter und nickte dazu. Bette sie in Eibenholz und blaue Wolle, und nimm sie als dein Geschenk mit.
    »Warum?«
    Weil ich dich darum bitte, und ich habe dich noch nie im Stich gelassen, egal, wie sehr du auch dieser Ansicht sein magst. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wirst du schon wissen, was du zu tun hast.
    Das Lachen der alten Frau klang wie der Schrei einer Krähe, und plötzlich war sie tatsächlich eine Krähe, und schließlich nichts weiter als eine Art Verdichtung in der zitternden Luft über dem Brennofen und der leise Ruf eines Rotkehlchens, das in einer der Buchen draußen vor der Schmiede saß.
    Graine atmete mit einem tiefen Seufzer aus und sah, dass der geschnitzte Schlangenspeer, der in ihrem Schoß lag, zerbrochen war und dass sie noch einmal von neuem würde beginnen müssen. Breaca stand am Schmiedefeuer mit dem Rechen in der einen Hand und den Anfängen einer Speerspitze in der anderen. Genauso, wie es bei ihrer Stimme der Fall gewesen war, so zeigte sich nun auch ihr Gesicht bar jeden Humors und jeder Wärme. Graine starrte auf den Boden und stellte fest, dass ihr Mund so trocken war, dass sie noch nicht einmal mehr schlucken konnte. Ihre Mutter hatte Seiten an sich, die Graine noch nie gesehen hatte und die sie auch jetzt lieber nicht kennen lernen wollte.
    »Du musst die Speere nicht anfertigen«, sagte sie. »Aber wenn du es doch tust, dann weiß ich, wie ich die Hefte zu schnitzen habe.«
    Wie aus weiter Ferne kehrte Breacas Aufmerksamkeit zurück, und es gab einen Augenblick, als Graine bereits glaubte, dass sie sich getäuscht habe und dass sie sich gerade auf immer zu einem Sprachrohr der Ahnen verdammt hatte.
    Das Entsetzen darüber stand ihr offenbar geradezu ins Gesicht geschrieben; Breaca sah Graine mit einem Stirnrunzeln an, dann wandte sie den Blick ab, immer noch mit zerfurchter Stirn, und schließlich schaute sie durch die Tür nach draußen und stieß durch geblähte Wangen einmal kräftig die Luft aus. Als sie ihre Tochter erneut anschaute, geschah es mit einem Aufblitzen jenes scharfen, trockenen Humors, der ihre gesamte Familie auszeichnete. »Hat dir die Großmutter denn auch gesagt, wie die Hefte angefertigt werden sollen?«, fragte sie.
    Ganz schwindelig vor Erleichterung erwiderte Graine: »Vielleicht. Ich habe es zwar nicht geträumt, aber ich weiß es trotzdem. Willst du sie denn gleich jetzt machen?«
    »Nein. Ich will einen Speer für Cunomar anfertigen und dann noch einen für Eneit, und

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