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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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beobachtete und sich spöttisch amüsiert gab.
    Der Himmel war nicht länger von dem blassen Grau, in dem er sich zuvor noch gezeigt hatte, sondern ließ nun einen ersten Schimmer von Blau erkennen. Der Torfboden unter Cunomars Rücken war warm und elastisch und erfüllt von den Gerüchen nach Sand und Riedgras und stehendem Wasser. Seine Brust schmerzte, und seine Nieren hatten ein wenig Schaden genommen, doch da war auch diese gewisse Wärme, die sich in seinem Bauch ausbreitete und die er seit seiner frühesten Kindheit nicht mehr gespürt hatte, und vielleicht noch nicht einmal da. Langsam reifte in ihm die Erkenntnis heran, dass dies der erste Augenblick in seinem Leben war, in dem er wirklich glücklich war, und er wollte diese Empfindung voll auskosten und auf keinen Fall zerstören, und ganz bewusst beschloss er, die Ursachen dieses Gefühls besser nicht zu hinterfragen.
    Die Welt wurde ruhiger und ein klein wenig einfacher. Cunomar atmete einmal tief durch und stemmte sich auf einen Ellenbogen hoch. Eneit, der sich zwischenzeitlich wieder angezogen hatte, saß auf dem kleinen Wall, einen Ellenbogen auf sein Knie gestützt. Es war schon eine kleine Weile her, dass er aufgehört hatte zu grinsen, und nun betrachtete er seinen Freund einfach nur. Eneits flächiges, offenes Gesicht strahlte eine Intelligenz aus, die er oftmals nur mühsam verbergen konnte.
    Cunomar setzte sich auf. »Danke«, sagte er.
    Eneit zuckte mit den Schultern. »Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich hätte das doch gar nicht gekonnt, wenn du es mir nicht vorher beigebracht hättest.«
    »Ich habe dir doch nicht beigebracht, mich zum Lachen zu bringen.«
    »Nein. Aber ich habe dich ja auch nicht zum Lachen gebracht. Das warst du ganz allein.« Der Junge zog einen Grasstängel aus dem Boden, untersuchte das untere Ende, kaute ein wenig darauf herum, zog dann feinsäuberlich das frische, grüne Innere heraus und hinterließ lediglich eine leere Hülse. »War aber trotzdem schön, dich endlich mal von Herzen lachen zu sehen. Hattest dir ja auch ganz schön viel Zeit damit gelassen.«
    »Ja.«
    Sie saßen eine Armeslänge voneinander entfernt, vielleicht auch ein wenig mehr, doch keiner versuchte, die Kluft zu überbrücken. Sie saßen einfach nur schweigend beieinander, in einem Schweigen, das nun sogar noch mehr Gewicht besaß als zuvor, während der Morgen und eine große Ruhe sich über das weite Marschland legten. Einen Speerwurf entfernt neigten die Stuten die Köpfe wieder zum Boden hinab, und die Fohlen saugten an den mütterlichen Zitzen, bis sie sich von der Herde lösten und miteinander spielten. Schließlich, als Cunomar die Tiere eine ganze Weile beobachtet hatte und der Wirrwarr der Gedanken in seinem Kopf sich noch immer nicht beruhigen wollte, schaute er in den Himmel hinauf und stellte fest, dass die Luft über ihm wieder fast leer war und er lediglich noch einen Bussard sah, der in trägen Kreisen vor dem blauen Himmel schwebte.
    Er verspürte das Bedürfnis, mit Eneit zu sprechen, und wusste doch nicht, was er sagen sollte, so dass er schließlich fragte: »Würdest du dir den als dein Traumsymbol wünschen, wenn er dir in deinen langen Nächten der Einsamkeit begegnete?«
    »Wen?« Eneits Stimme klang irgendwie abwesend, als ob sie aus weiter Ferne zurückkehrte.
    »Den Bussard. Würdest du dir den als dein Traumsymbol in deinen langen Nächten der Einsamkeit wünschen?«
    »Warum? Um ihn mir auf den Knauf eines kaputten Holzschwertes zu schnitzen?«
    Doch Eneit grinste nicht. Schwer lagen die Lider über seinen Augen, und dieses eine Mal war ihr Ausdruck nicht zu entschlüsseln. Als Cunomar nicht antwortete, legte er sich neben ihn und stützte sich ebenfalls auf den Ellenbogen auf.
    Nicht ein einziges Mal während des gesamten Sommers hatte er Cunomars Besessenheit von den Ritualen der Krieger und dem Übertritt in das Leben eines Erwachsenen in Frage gestellt. Jetzt aber fuhr er leise fort: »Deine Mutter hat mich gelehrt, das Lied der Speerseele zu vernehmen, und du hast mir beigebracht, das Schwert wie ein Mann zu führen. Durch beides habe ich ein völlig neues Leben für mich entdeckt. Und wenn der Augenblick schließlich kommt - falls er kommt -, werde ich so viele Römer töten, wie ich nur kann, ehe sie mich töten. Aber ich weiß, am Ende werden sie mich töten, denn egal, wie sehr ich mich auch darum bemühen mag, die Stimme in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, egal, wie hart ich vor Sonnenaufgang mit

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