Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
letzte Stück bis hinunter auf den Boden fallen zu lassen.
    Doch man fiel nicht so tief, wie Cunomar bereits befürchtet hatte, sondern bis hinunter auf den Boden war es weniger als eine Speerlänge. Etwas unsicher kam er auf dem Steinboden auf, umfangen von Dämmerlicht und Kälte, an einem Ort, an dem Schatten den Raum größer erscheinen ließen, als er eigentlich war, und der bei seiner Landung entstandene Luftzug für einen Moment den Staub der verstorbenen Ahnen aufwirbelte.
    Die Toten in diesem Grab hießen die Eindringlinge auch nicht herzlicher willkommen als jene in dem ersten Ahnenhügel. Cunomar nahm die Ungeduld der Vorfahren als ein leichtes Vibrieren in der Bauchgegend wahr. Nun erinnerte er sich auch wieder an Eneits Angst. Lanis’ Sohn stand unmittelbar unter der Öffnung in der Decke des Grabhügels, die Augen weit aufgerissen und mit einem bangen Lächeln auf den Lippen.
    »Bist du schon mal hier drinnen gewesen?«, fragte Cunomar.
    »Nein.« Eneit trat einen Schritt aus dem Licht heraus und fuchtelte, nach den Wänden tastend, mit einem Arm vor sich her. »Bis du kamst, bestand schließlich noch kein Grund, um sich auf die Suche nach einem Schwert zu machen. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wie man es in die Hand nimmt, geschweige denn, wie man damit kämpft.« Er machte noch zwei weitere Schritte, dann blieb er stehen und war in der ihn umfangenden Dunkelheit kaum mehr zu erkennen. »Hier ist eine Wand.« Und, nach einem Augenblick der Stille: »Das Dach neigt sich tief auf den Boden hinab.«
    »Wenn hier irgendwo ein Schwert liegt, wird es oberhalb des Bodens versteckt sein, irgendwo in einer Spalte, wo der Stein einen Vorsprung bildet und wo selbst jemand, der mit Fackeln hier reinkommt, es nicht entdeckt.«
    Cunomars Worte stießen auf Schweigen. Er hätte ebenso gut allein hier sein können. Nach einer Weile entgegnete Eneit ein wenig angespannt: »Woher weißt du das?«
    »Meine Mutter und die Krieger haben ihre Waffen doch auch in einem Grabhügel wie diesem hier versteckt. Und ich bin mit ihnen gegangen, um ihnen zuzusehen.«
    »Hattest du da ebenfalls das Gefühl, als ob die Toten dich geradezu hassten?«
    »Ja. Aber meine Schwester haben sie geliebt.«
    Cunomar stellte fest, dass er sich nach Graines Gegenwart sehnte. Sie war in den grauen Gefilden zwischen den Welten auf eine Art und Weise zu Hause, wie er es nicht war. Seine ausgestreckten Finger stießen gegen Stein.
    »Hier ist auch eine Wand. Du gehst also rechts rum und ich nach links, in der Mitte treffen wir uns, und dann tauschen wir die Seiten. Auf diese Weise haben wir dann beide die komplette Wand abgetastet. Taste direkt vor dir auf Schulterhöhe nach Spalten, die sich in seitliche Richtung erstrecken und die lang genug sind, um eine Klinge in sich aufzunehmen.«
    Seinen eigenen Anweisungen folgend trat Cunomar einen Schritt zur Seite und glitt langsam mit den Fingerspitzen über die vor ihm aufragende Steinwand. Das Wüten in seinem Unterbauch wuchs sich zu einem zermürbenden Schmerz aus. Die Haut in seinem Nacken und an seinen Armen begann zu kribbeln. Öliger Schweiß sammelte sich über seinen Brauen und rann ihm über die Wangen. Er wagte noch einen dritten Schritt und fühlte plötzlich, wie etwas sehr Irdisches an ihm vorüberflatterte.
    Es erklang ein Stöhnen wie von einem verletzten Mann, der den Namen Brigas rief. »Deine Mutter sollte einmal hierher kommen«, sagte Cunomar. »Die Schatten der in den Schlachten Gefallenen sind noch nicht alle in die andere Welt hinübergeglitten. Und Lanis ist doch eine der Jüngerinnen Brigas, und sie hat den Raben zum Traumsymbol. Deine Mutter könnte ihnen doch bestimmt dabei helfen, den Weg über den Fluss zu finden.« Seine Stimme hallte von den Wänden wider und kehrte mit einem heiseren Krächzen zu ihm zurück.
    Eneits Stimme klang nicht besser. »Sie kommt bereits regelmäßig hierher. Sie war auch vor der Versammlung hier, als sie sich gegen deine Mutter aussprach, und als sie wieder herauskam, wusste sie, was sie zu sagen hatte, damit die Versammlung für das Bleiben der Bodicea stimmte.«
    »Sie ist mutiger als jeder Krieger.«
    »Ich weiß. Aber das sind die Träumer ja alle. Hast du wirklich so lange gebraucht, um das zu erkennen?«
    Um die beklemmende Stille von sich fern zu halten, sprachen sie unentwegt weiter und tasteten sich währenddessen an den Wänden entlang. Raum und Zeit schienen sich bis ins Unendliche auszudehnen. Mit einem Mal war aus der - von

Weitere Kostenlose Bücher