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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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versteckt worden waren, war ihm der Geist seines Großvaters erschienen und hatte es verboten.
    Die Worte, die in jenem Moment zwischen Eneit und Cunomar schwebten, brauchten nicht mehr laut ausgesprochen zu werden. Ich biete dir eine Klinge, die mit der Geschichte deines Stammes verwoben ist und die nicht vom Geist deines Großvaters verflucht wurde. Mit der Aussicht auf diese Belohnung wirst du es schaffen, deine langen Nächte der Einsamkeit durchzustehen - wenn die Träumer dir endlich die Erlaubnis dazu erteilen -, und als ein wahrer Krieger wieder nach Hause zurückkehren.
    Cunomar schrie erfreut auf und warf eine Hand voll feuchten Lehm nach seinem Freund, und die Vögel schreckten ein zweites Mal hoch. »Eneit nic Lanis, du bezeichnest dich als mein Freund, und trotzdem hast du sieben Monate gewartet, ehe du mir das erzählst? Bist du des Lebens etwa schon so überdrüssig geworden?«
    »Nein.« Über Eneits Gesicht breitete sich das für ihn so typische träge, breite Grinsen. »Aber ich wusste doch nicht, wie viel dir so ein Schwert bedeutet, bis der Schnee zu hoch lag, als dass wir noch hätten losgehen und nach den Waffen hätten schauen können. Und eins kann ich dir versichern: Wenn uns dahin, wo die Klingen liegen, einer folgt, wäre uns das ganz und gar nicht recht.«
    Eneit war plötzlich sehr ernst, und in seinen Augen lag ein ungewohnter Ausdruck der Vorsicht. Als Cunomar dies sah, fragte er: »Liegen die Schwerter etwa in einem der Grabhügel der Ahnen? Einem Grabhügel aus Stein, mit Gras überwachsen, so dass er aussieht wie ein lang gezogener Wall?«
    Eneits Grinsen erstarb. »Woher weißt du das?«
    »Ich bin schon einmal in so einem drin gewesen.« Mit dem Fuß schob Cunomar einige trockene und mit Schlamm überzogene Blätter über die Stelle, an der sich die hölzernen Schwerter verbargen. Cygfa und Dubornos würden sie wahrscheinlich aufspüren können, Ardacos und die Bodicea sogar ganz gewiss, aber von den Römern wüsste keiner, wo er zu suchen hätte. Blinzelnd hob Cunomar den Blick zur Sonne empor, wägte im Stillen seine Angst und seine Leidenschaft miteinander ab und musste feststellen, dass die Leidenschaft die Angst weit überwog. Ardacos hatte immer gesagt, dass das Kennzeichen eines wahren Bärenkriegers die Fähigkeit sei, das Geschenk der Götter so entgegenzunehmen, wie man es bekam, und später nicht zu klagen, wenn man die günstige Gelegenheit ungenutzt hatte verstreichen lassen.
    Er spürte, wie der Entschluss in ihm reifte, und entgegnete langsam: »Der Schnee ist geschmolzen; auf diese Weise wird also schon mal keiner mehr unseren Spuren folgen können. Außerdem werden wir nach Art der Bärinnen wandern, und sollten wir auf dem Weg irgendjemandem begegnen, dann geben wir auf und kehren sofort wieder um. Wir müssen uns genauso verhalten, als befänden wir uns im Krieg. Denn wenn die Römer uns mit Waffen antreffen, wird auch Tagos sie nicht mehr davon abhalten können, uns zu erhängen.«
    »Ich weiß.« Eneit lachte. »Und wenn uns vorher meine Mutter findet, können die Römer froh sein, wenn sie dann überhaupt noch irgendetwas finden, das sie aufknüpfen können.« Er spuckte einmal in seine Hand und streckte sie Cunomar entgegen. »Wir werden nach Art der Bärinnen wandern. Dann kann uns keiner mehr aufspüren, außer Ardacos und vielleicht noch Cygfa. Und da ich den Weg kenne, muss ich vorausgehen. Du folgst also meiner Spur. Schließ die Augen, und sing das Lied des gefallenen Kriegers. Wenn du fertig bist, bin ich verschwunden. Und ich wette mit dir um einen neuen Schwertgurt, dass du mich nicht erreichst, ehe wir am Grabhügel angelangt sind.«
     
    Eneit hatte seine Lektion gut gelernt. Er hinterließ keinerlei Spur, der ein ungeübtes Auge noch hätte folgen können. Die Fährte, die er legte, war vielmehr so schwach, dass Cunomar dankbar war für die zwischendurch eingestreuten Hinweise, die frisch abgebrochenen Zweige und aus der Erde gescharrten Steine, und, einmal, sogar ein im Boden steckender, abgestorbener Zweig, der bewusst so platziert worden war, dass er Cunomar die Richtung anzeigte.
    Jäger und Gejagter verließen den Wald und liefen auf das offene Marschland hinaus. Eneit kannte dieses Land von Geburt an. Er war in der Tiefebene zu Hause, wo nur der im Frühjahr blühende Stechginster die gerade Linie des Horizonts verwischte und fester Boden ohne jede Vorwarnung in Moor überging, in dem ein Unvorsichtiger nur zu leicht untergehen

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