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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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den Keller hinunterführte. Die unverputzten
Betonwände waren von Graffiti bedeckt, deren Botschaft sich ihm nicht
erschloss. Als er den Fuß auf die erste Stufe setzte, ertönte von unten ein
dumpfes Dröhnen, das bald darauf von einem scharfen Sirren begleitet wurde.
Dann setzte schneidend grell eine Rhythmusgitarre ein.
    Schwemmer ging die Treppe hinab. Mit jedem Schritt
wurde das Dröhnen lauter. Unten, gegenüber dem Treppenabsatz, war tatsächlich
ein großer fünfzackiger schwarzer Stern auf rotem Grund an die Wand gesprüht.
Das von einem Kreis umgebene weiße A in seiner Mitte zeigte allerdings, dass es
sich um etwas ganz anderes als ein Pentagramm handelte. Aber Schwemmers
Erinnerungen an solche Sterne waren auch so nicht sehr positiv. Zum ersten Mal
hatte er es als Leiter einer Bereitschaftshundertschaft in Wackersdorf damit zu
tun gehabt.
    Der Gang bog nach links ab und endete vor einer
weiteren Stahltür, hinter der offenbar die Quelle des Getöses lag. Die Tür
hatte einen festen Knauf statt einer Klinke. Schwemmer pochte dagegen, aber er
merkte sofort, dass dies sinnlos war. Gegen den Lärm im Innern kam er nicht an.
    Er wartete auf eine Pause, in der sein Klopfen gehört
werden konnte, aber für lange Zeit kam keine.
    Mittlerweile erkannte er eine gewisse Struktur in dem
Lärm. Er vermutete, dass es sich um einen Bass und zwei Gitarren handelte, ein
Schlagzeug konnte er nicht erkennen. Dann fing jemand an zu brüllen, eine
tiefe, kehlige Stimme, die sich aber kaum gegen die Instrumente durchsetzen konnte.
Ein Text war nicht zu verstehen.
    Schwemmer hörte nur halb zu. Er mochte Phil Collins.
Zu »richtiger« Rockmusik fehlte ihm irgendwie der Zugang. Einmal hatte Burgl
ihn mitgeschleift zu einem AC / DC -Konzert ins Olympiastadion, und er
hatte sich ziemlich gelangweilt. Auf Burgls mitleidigen Blick hatte er etwas
von »zu alt für so was« gemurmelt, was sie mit der Feststellung konterte, dass
vier der fünf Mitglieder von AC / DC älter seien als er.
    Schwemmer zuckte für sich die Achseln. Man muss ja
nicht alles gut finden, dachte er.
    Als Bub hatte sein Vater ihn bei der Musikkapelle
Garmisch abgegeben, mitsamt dem alten »Infanterie-Cello«, wie er das
Baritonhorn nannte, das seit Generationen in der Familie Schwemmer
weitervererbt wurde. Der kleine Hausl hatte sich sehr bemüht, aber als er sich
vier quälende Jahre später in Richtung des 1. FC verabschiedete, war auf beiden Seiten eine große Erleichterung spürbar gewesen.
Nur sein Vater schien enttäuscht und übereignete das Bariton Schwemmers Vetter
Sebastian. Der spielte zwar auch nicht besser, aber dem machte es wenigstens
Spaß. Er war allerdings auch schon sechzehn und durfte bei den Proben Bier
trinken.
    Schwemmer trat von einem Fuß auf den anderen.
Vielleicht vermochte er die Qualität des Stückes, das durch die Tür dröhnte,
nicht zu beurteilen, aber eines war es gewiss: lang. Gitarrensolo folgte auf
Strophe folgte auf Gitarrensolo. Er versuchte sich vorzustellen, wie das Ganze
klänge, wenn auch noch ein Schlagzeug mitspielte. Es würde zumindest noch
lauter.
    Urplötzlich, ohne erkennbaren Anlass, endete die
Musik. Schwemmer trat sofort an die Tür und klopfte kräftig. Einige Augenblicke
später wurde von einem jungen Mann geöffnet, der wohl gerade über eine
Bemerkung lachte, die jemand im Raum gemacht hatte. Er sah Schwemmer zunächst
gar nicht an, offenbar erwartete er jemand anderen. Erst als er aus den
Augenwinkeln seinen Irrtum erkannte, fuhr sein Kopf herum. Sofort stellte er
sich in die Tür und zog diese zu sich heran, so, dass Schwemmer kaum in den
Raum hineinschauen konnte.
    Der junge Mann sagte nichts. Er mochte zweiundzwanzig
sein. Seine Haare waren an den Seiten kurz geschoren, oben eine Handbreit lang
und blutrot gefärbt. Er trug eine abgewetzte schwarze Lederhose, an deren
Gürtelschlaufen silberne Ketten baumelten. Sein schwarzes T-Shirt war mit einem
Monsterschädel bedruckt, unter dem etwas in einer unentzifferbaren Schrift
stand. Er sah Schwemmer schweigend an.
    »Wer isn da?«, fragte eine Stimme im Raum.
    »Keine Ahnung«, sagte der junge Mann kühl.
    Schwemmer zog seinen Dienstausweis.
    »Schwemmer, Kripo Garmisch«, sagte er. »Darf ich
reinkommen?«
    Im Gesicht seines Gegenübers arbeitete es. »Eigentlich
nicht …« Er drehte den Kopf. »Das ist ein Bu– … Polizist«, rief er in den Raum,
worauf von dort ein unterdrückter Fluch zu hören war.
    »Tja«, sagte Schwemmer.
    »Ich muss Sie nicht

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