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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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von Johanna
Kindel, dass Oliver Speck seit zwei Tagen nicht zu Hause gewesen sei. Schwemmer
hatte kaum in seinem Drehstuhl Platz genommen, als ein gut gelaunter Kommissar
Dräger hereinkam und sich grinsend in den Besucherstuhl fallen ließ. Dräger war
in der Dienststelle dafür berüchtigt, das Wort »Feierabend« nicht im aktiven
Wortschatz zu führen.
    »Ich habe eine ungefähre Vorstellung vom Tatablauf«,
sagte er.
    Schwemmers Augenbrauen wanderten fragend in die Höhe.
    »Ich nehme an, der Täter hat das Opfer mit dem Auto
überrollt.«
    »Das können Sie aus dem bisschen erkennen, was ich
Ihnen da mitgebracht habe?«, fragte Schwemmer. »War es denn überhaupt Blut?«
    »Oh ja! Ich denke, es lief folgendermaßen ab: Der
Täter kam aus dem Wald. Zunächst hat er seiner Begleitung die Kletten aus dem
Haar gezupft und diese auf den Boden geworfen. Dann ist er in sein Auto
gestiegen und hat den Frosch überfahren.«
    »Frosch?«, fragte Schwemmer.
    »Und bei der Begleitung dürfte es sich um einen Setter
gehandelt haben. Hundehaare, die in Amphibienblut kleben. Das war alles.«
    »Und wo ist der Frosch?«, fragte Schwemmer lahm.
    »Im Profil der Reifen, würde ich annehmen. Theoretisch
kann auch jemand draufgetreten haben. Aber der hätte sich den Frosch
wahrscheinlich aus der Sohle gepult. Dann hätten Sie ihn da gefunden.«
    »Ich hab ja gesagt, dass nix ist«, brummte Schwemmer.
» Das dürfen Sie Frau Isenwald ruhig erzählen heut Abend.«
    Dräger stand in seiner elastischen Art auf.
    »Wir reden privat nicht über die Arbeit«, sagte er.
»Das musste ich ihr versprechen. Wenn ich mich nicht dran halte, flieg ich
raus.«
    Er ging gut gelaunt aus der Tür.
    Schwemmer betrachtete nachdenklich sein Telefon und
überlegte, ob er Johanna Kindel anrufen sollte, um ihr Drägers Erkenntnisse mitzuteilen.
Aber er ließ es bleiben.
    * * *
    »Geht’s dir besser, Großmama?«, fragte Danni mit der
ernsten Besorgnis einer Zehnjährigen.
    »Viel besser.« Johanna lächelte sie an, aber Dannis
Miene blieb skeptisch. Sie griff nach ihrem Milchglas und nahm einen tiefen
Zug.
    »I hab ein Tor geschossen«, sagte sie, einen breiten
Milchbart auf der Oberlippe.
    »Und? Habts gwonnen?«
    »Na. Unentschieden, glaub i.«
    Das Telefon läutete, und wie immer war Danni
blitzartig von ihrem Platz auf der Bank herunter.
    »I geh dran!«, rief sie. »Danni Kindel«, meldete sie
sich.
    Johanna schmunzelte, wie immer, wenn sie das Kind so
ernsthaft den großen Hörer ans Ohr halten sah.
    »Die Frau Speck«, sagte Danni und hielt ihr den Hörer
hin.
    Johanna nahm den Hörer und meldete sich.
    »Grüß Gott, Frau Kindel«, hörte sie Frau Speck sagen.
»Ich wollt nur sagen, der Oliver hat mir gesagt, das wär nicht seine Jacke.«
    »Is der denn wieda do?« Unwillkürlich spannten sich
Johannas Muskeln an. Da Bua lebt, dachte sie.
    »Er ist grad heimgekommen. War bei einem Freund, sagt
er.«
    »Des gfreit mi aber arg für Eane.«
    »Dankschön, Frau Kindel. Ich bin auch arg erleichtert.
Es war lieb, dass Sie angerufen haben wegen der Jacke. Servus!«
    »Servus«, sagte Johanna und legte auf.
    »Was war denn?«, fragte Danni mit vollem Mund, die
Lippen nun voller Nutella.
    »Ach nix für di«, antwortete Johanna leichthin. »Wisch
dir liaba d’Goschn ab.«
    Danni wischte mit ihrer Papierserviette den Mund ab
und lachte, als sie die dunkelbraunen Nougatspuren darin sah.
    »Darf i fernsehn?«, fragte sie dann, und Johanna
nickte.
    »Super«, quiekte Danni. Das Brot noch in der Hand,
stürmte sie aus der Küche in die Wohnstube hinüber.
    Johanna schloss die Tür hinter ihr und setzte sich an
den Tisch. Sie brauchte Ruhe zum Nachdenken. Zuerst überlegte sie,
Hauptkommissar Schwemmer anzurufen, aber dann ließ sie es bleiben. Sie musste
sich zuerst klarwerden, was zu tun war.
    Oliver Speck war nicht ermordet worden.
    Sehen Sie, würden sie ihr auf der Polizei sagen, da
haben Sie also danebengelegen, Frau Kindel. Wieder mal. Das kennen wir ja
mittlerweile.
    Aber Johanna wusste es besser.
    Oliver Speck war nicht ermordet worden.
    Er würde ermordet werden.
    * * *
    Schwemmer bückte sich, um durch die Scheibe des
Backofens einen Blick auf die verlockend knusprig aussehenden Entenkeulen darin
zu werfen.
    »Viertelstunde noch«, murmelte er und sah auf die
Küchenuhr. Dann setzte er das Wasser für die Nudeln auf.
    Burgl saß sehr aufrecht auf dem Stuhl am Küchentisch
und schnitt Tomaten klein, vor sich auf dem Tisch ein Glas Rotwein, an dem

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