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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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mal
drei Tote in einer Woche haben, geht gegen null, also … Genau … ja, ich dich
auch.«
    Er legte auf und seufzte.
    »Mein Sohn singt im Tölzer Knabenchor. Und heut ist
Elternabend. Aber …« Er machte eine entschuldigende Geste zu Severin. Er sprach
seit einiger Zeit ausschließlich mit Severin. Schibbsie saß auf seinem Stuhl
und starrte die Wand an. Schafmann hatte ihnen Kaffee angeboten. Severin hatte
angenommen, aber Schibbsie hatte gar nicht reagiert. Schafmann hatte ihm
einfach einen Becher hingestellt. Severin hatte den Eindruck, dass es Schibbsie
nicht leichtfiel, den Becher zu ignorieren.
    Während Severin Schafmann den Unterschied zwischen
Grindcore, Crustcore und Hardcore erklärt und die klare Abgrenzung der
»Rattenbrigade« gegen Black- und Death-Metal erläutert hatte, war Schibbsie
leicht unruhig auf seinem Stuhl herumgerutscht. Severin wusste, dass Schibbsie
ein Thrasher war, der viel Wert auf rasend schnelle Blastbeats legte, und nicht
auf Texte. Aber musikalisch war Severin eben doch der Chef der »Rattenbrigade«.
    »Ist ja nicht mein Ding, was die in Tölz die Buben so
singen lassen«, sagte Schafmann. »Aber der Große kriegt eine wirklich amtliche
Ausbildung da. Gehör, vom Blatt singen und so weiter. Wird ihm nicht schaden,
auch wenn er nach dem Stimmbruch was anderes machen will.«
    »Wahrscheinlich ned«, sagte Severin und wünschte sich,
Girgl wüsste auch nur den Unterschied zwischen Dur und Moll.
    Von Spacko ganz zu schweigen, dachte er, und zuckte
zusammen.
    Schafmann schien es nicht bemerkt zu haben. »Wenn ich
mich damals mehr um so was bemüht hätte, hätt ich vielleicht weitergemacht.
Dann säß jetzt hier wer anders. Und ich wär Ex-Popstar und würd von meinen
Tantiemen leben.« Er lachte.
    »Sie habn in einer Band gspuilt?« Severin sah ihn
zweifelnd an.
    »Ja. Anfang der Achtziger. Gitarre. Aber mehr
Rhythmus. Für Solo war mein Bruder zuständig.«
    »Und was für a Musik?«
    »Wir nannten das Punk, damals.«
    » Sie habn Punk gspuilt?« Severin musste lachen.
Ein Bulle, der mal Punk war. Das war zu albern.
    »Was gibt’s denn da zu lachen?«, fragte Schafmann,
aber er musste selber grinsen. »Na ja, eigentlich war das mehr so NDW mit Gitarren.«
    »Deutsche Texte?«
    »Ja, freilich … Hat schon Spaß gemacht. Ich hatt auch
‘ne schöne Klampfe. Fender Telecaster von neunzehneinundsechzig.
Lake-Placid-Blue. Könnt ich eigentlich mal wieder aus dem Schrank holen.«
    Severin traute seinen Ohren nicht. »Die habens noch?
An einsechzger Tele?« Nun hob auch Schibbsie den Kopf. Severin wunderte es
nicht. Wenn es irgendwas gab, das Schibbsie wirklich interessierte, waren es
Vintage-Gitarren – je älter, je besser.
    »Gibt man ja nicht weg so was, ohne Not«, sagte
Schafmann. »Obwohl … im Moment wär’s eigentlich gar nicht schlecht. Ist grad
‘ne Menge Zeug zu bezahlen. Wie immer, wenn man Nachwuchs hat.«
    »Mit orginal Teilen?«, fragte Severin.
    »Ja, logisch …«, sagte Schafmann. »Die Waschmaschine
ist auch hin«, murmelte er dann.
    Jetzt setzte Schibbsie sich auf und starrte Schafmann
unverhohlen an.
    »Ich hab nix dran geändert«, sagte Schafmann, »obwohl
das mit diesen doppelten Bridges doch grenzwertig ist. Aber die ist komplett original.
Mit Tweedcase. Und immer gehegt und gepflegt. Sieht aus, als wär sie zwei, drei
Jahre alt. Kennen Sie vielleicht jemanden, der an so was Interesse hätte?«
    Schibbsie räusperte sich.
    »Lake-Placid-Blue?«, fragte er.

SECHS
    Schwemmer steuerte mit links. Mit der Rechten rieb er
seinen Nacken. Elf Kilometer zäh fließender Verkehr zwischen Dreieck Hallertau
und Manching hatte man ihm angekündigt, und er glaubte jedes Wort. Neben ihm,
auf dem Beifahrersitz des Dienstwagens, lag die Zeitung mit Högewalds neuestem
Tiefschlag:
    SATANISTENBAND: TARNUNG FÜR LINKE TERRORZELLE?
    Das Fragezeichen war sehr klein geraten, fast konnte
man es übersehen. Unter der Schlagzeile ein Foto von Severin Kindel in
Handschellen, wie Kommissar Haderteuer ihn gerade ins Auto drückte. Von unserem
Leserreporter Soundso. Im Artikel dann die Formulierung, dass der Enkel der
Seherin ein Exklusivinterview zugesagt hatte, die Polizei dem aber durch die
Festnahme zuvorgekommen sei.
    Selbstverständlich hatte Högewald es nicht explizit
geschrieben, aber der Artikel las sich, als habe Schwemmer Severin Kindel nur
einlochen lassen, um der Öffentlichkeit brisante Informationen vorzuenthalten.
    Und Högewald zufolge fragte sich diese

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