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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Pharaos im Raum. Tiegel mit Bleiglanz, Pinzetten, eine kleine Statue des Gottes Thoth. Ein paar reinweiße Leinenschurze lagen geplättet auf seinem Bettende bereit.
    Hinter einem Durchgang konnte er die Kammer mit den Schriften sehen. Tafeln, Schriftrollen und Papyrus füllten die Staufächer in den Mauern. Ein Stuhl, ein Schreibtisch, beide aus Gips geschnitten, standen genau im Sonnenlicht. Über dem Fenster hingen frische Blumengirlanden, die den Raum mit Hyazinthenduft erfüllten.
    Genau jenem Duft, den die grünäugige Priesterin getragen
    hatte. Plötzlich fühlte er sich aufs Angenehmste erregt.
    Doch all seine Gedanken waren wie weggeblasen, als er fassungslos vor dem Objekt am Rande des Schreibtisches stehen blieb. Das war doch nicht möglich! Das war die falsche Zeit! So ein Gerät gab es frühestens seit der Renaissance!
    Mehrere runde, durch einen Stift verbundene Scheiben waren von zwei Kugeln gekrönt, die sich an Metallauslagern bewegten.
    Das Ganze wurde durch eine seitlich angebrachte Kurbel angetrieben: Ein Astrolabium? Cheftu trat näher heran. Die zwei Kugeln waren verschieden groß, eine bestand aus Gold, eine aus Silber. Er atmete scharf ein und besah sich die erste Scheibe. Sie war in einem deutlich erkennbaren Muster in Grün und Blau gemalt, dessen Form ihm nur allzu bekannt vorkam. Kontinente. »Was ist das?«
    Nestors Schritte erschienen ihm ungewöhnlich laut, der Raum plötzlich zu eng und heiß. »Im Gegensatz zu euch Ägyptern glauben wir, dass die Welt eine Kugel ist, darum haben wir unsere Schiffe in alle nur erdenklichen Richtungen ausgesandt, um zu erkunden, ob das der Wahrheit entspricht. Dieses Gerät erfasst die Bewegungen von Sonne und Mond in der Vergangenheit und Zukunft und bestimmt die Höhe der Sterne und aller Sternbilder. Recht sinnig, wenn man sich auf See befindet, Ai?«
    »Das Getriebe«, krächzte Cheftu hervor. Welche antike Kultur kannte ein Getriebe? Nicht einmal die Ägypter, so fortschrittlich sie auch waren, hatten so etwas entwickelt. Nestor nahm das Ding in die Hand.
    »Schau«, sagte Nestor und drehte die Kurbel. Cheftu beobachtete, wie die Scheiben sich neu anordneten und dann stehen blieben. Lächelnd nahm Nestor die Hinterwand ab und kurbelte erneut. Sie beobachteten die Zahnräder, die sich unterschiedlich schnell drehten, sich ein- oder aushakten. Unwillkürlich trat Cheftu einen Schritt zurück. Er war fassungslos.
    Was war das für ein Volk?
    Cheftu nahm das Gerät in die Hand und musterte eingehend die blauen und grünen Flächen. Dann trat er ans Fenster, den Rücken dem Fremden zugewandt. Mit laut kratzendem Atem suchte er nach seinem Heimatland, Frankreich. Da war es! Die Küste war nur grob nachgezeichnet, doch die Form des Landes und jene Spaniens waren unverkennbar.
    Wieder fiel sein Blick auf Frankreich.
    Wie Faustschläge hagelten Erinnerungen an seine Kindheit auf ihn ein, und er sank mit leerem Blick gegen den Fensterrahmen. Figeac mit seinen grünen Parks und dem nahen Fluss, dem geschäftigen Markt und dem allgegenwärtigen Schmutz war seine Welt gewesen. Er dachte zurück an sein Heim, seine Familie ... an seinen Bruder Jean-Jacques, der ihm so geduldig Alfabet um Alfabet beigebracht und damit den Grundstein für die vielen Sprachen gelegt hatte, die er später erlernen sollte.
    Wie hatte es in Frankreich gestunken! Wie selten hatten die Menschen gebadet! Wie bitterkalt waren die Winter gewesen, wie schlecht war Frankreich darauf vorbereitet gewesen, all seine Kinder zu nähren und zu kleiden. Er drehte sich um; Nestor hatte etwas gesagt.
    »Ist etwas mit dir, mein Meister?«
    »Wie? Nein, natürlich nicht.«
    »Du bist bleich. Bitte setz dich, ich werde dir von einem Leibeigenen ein Bad und etwas zu essen bereiten lassen.«
    Gehorsam sank Cheftu nieder, das Astrolabium fest in der Hand.
    »Woher kennt ihr all diese . äh, Orte?«, fragte er, wobei er auf das Astrolabium deutete.
    Nestor lehnte sich an die Wand und kniff die Augen zusammen. »Von dort kamen die Goldenen. Bis zum heutigen Tag besuchen uns unsere Vettern und bringen uns Nachrichten von jenseits des Großen Grüns. Sie reisen auf den Flüssen von hier aus in ihre weißen Länder.«
    »Die Goldenen?«
    »Die Sippe der Olympier. Meine Familie.«
    Nestor lachte über Cheftus verständnislose Miene.
    »Du bist also ein Sippenoberhaupt?«
    »Ich bin ein Erbe des Aufsteigenden Goldenen«, erläuterte Nestor.
    »Sollte, was Apis verhüten möge, Phoebus sterben, würde ich

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