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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Y’carus schnell. »Posidios ist mein Oberhaupt. Sag an, was ist geschehen?«
    »Naxos hat ein weiteres Leben gefordert«, antwortete Nestor. »Die Länder, die von den Göttern geschlagen wurden, sollte man ruhen lassen!« Er seufzte. »Das Oberhaupt des Hornes ist schuld daran. Sibylle mischt sich einfach überall ein«, beklagte sich Nestor. »Posidios wurde von einer weiteren Erdwelle umgeworfen, als er gerade jene zu befreien suchte, die das erste Beben auf Naxos überlebt hatten.« Nestor sah über ihre Schultern, und die beiden anderen drehten sich um. Die Schiffe mit den roten Segeln liefen eben in den Tunnel unterhalb der Insel Aztlan ein.
    Y’carus salutierte und wandte sich, nachdem Nestor weitergegangen war, an Cheftu. »Mein Schiff muss wieder seetüchtig gemacht werden«, sagte er. »Es war mir eine Freude, dich kennen zu lernen, Ägypter. Wir sind Brüder in der Sorge, du und ich. Lass es mich wissen, falls du irgend etwas brauchst.« Er grinste. »Obwohl, als neuem Oberhaupt und so jung, wie du bist, wage ich zu bezweifeln, dass es dir in deinen Tagen und Nächten an Gesellschaft mangeln wird.« Y’carus und Cheftu umarmten sich. »Bis unsere Augen einander wieder erblicken«, verabschiedete sich der Kapitän und ging davon.
    Cheftu kreuzte respektvoll den Arm vor der Brust; er fühlte sich geehrt, dass Y’carus mit ihm, einem Fremden, in diesem Ton sprach. Dann lief er los, um Nestor einzuholen. Nicht einmal zehn Minuten später war er dankbar dafür, dass er einen Führer hatte, der ihn durch den Palast geleitete. Keine halbe Stunde später war er überzeugt, dass er sich hier niemals zurechtfinden würde. Nachdem sie eine Stunde lang Gänge, Tunnel, Passagen, Lichtschächte, riesige, edle Räume, winzige Treppen und Rampen durchwandert hatten, war ihm klar, dass er irgendwann unterwegs das Zeitliche segnen würde. Noch nie war etwas so chaotisch angelegt worden wie dieser weitläufige Palast.
    In seiner linken Kopfseite machten sich Kopfschmerzen bemerkbar, als sie in einen gut ausgeleuchteten Durchgang traten, wo an beiden Wänden Männer warteten. An ihren blutfleckigen Schürzen erkannte er sie als Seesoldaten, die eben aus einem Scharmützel mit dem Tod heimgekehrt waren. Cheftu wurde nach vorne durch eine Tür geführt.
    Dahinter lag auf einer geflochtenen Liege ein stämmiger Mann mit einer Bauchwunde, aus der ein halb verfaultes Stück Holz ragte. Ohne dass man ihn dazu aufgefordert hätte, trat Cheftu näher und untersuchte ihn. Der Mann war gefährlich unterkühlt, und die Wunde nässte. Die Verletzung war ein Todesurteil; es war ein Wunder, dass er überhaupt noch atmete. Wäre Cheftu noch in Ägypten gewesen, hätte er die vorgeschriebene Formel gesprochen: »Mann mit tödlicher Wunde am Bauch, diese Wunde werde ich nicht behandeln.« Dann hätte er dafür gesorgt, dass der Mann gefüttert und gepflegt
    wurde, während er nach den Priestern geschickt hätte.
    »Dein Patient, Ägypter«, sagte der flachsköpfige Mann. Niko. Der Mann hing an ihm wie eine Klette!
    Eine kurze Berührung verriet Cheftu, dass in dem Patienten das Fieber brannte. Methodisch benannte er alle Mittel, die er brauchen würde, dann trat er an die Wand, wo ein Leibeigener heißes, schwefliges Wasser heraufpumpte und Cheftus Hände reinigte, während dieser Thoth, den Schutzgott aller Heiler, um Weisheit anflehte. Anschließend wurde auf Cheftus Forderung hin Wein über seine Hände gegossen.
    Das Holz hing glatt aus der Wunde, doch der folgende Blutsturz war lebensbedrohlich. Auf Cheftus Rufe hin wurden weitere Tücher zum Blutstillen gebracht, die er in Wein tränkte, ehe er sie in die Wunde stopfte. Während auf diese Weise der Blutfluss gemildert wurde, rasierte Cheftu den Leib des Mannes. Nur auf beredte Bitten hin ließ er dem Mann sein langes blondes Haar. Nachdem der übrige Körper rasiert war, wurde der Patient in kalte, nasse Tücher gewickelt.
    Als die Wunde schließlich zu bluten aufgehört hatte, zog Cheftu vorsichtig die Tücher heraus und untersuchte die Verletzung. Die Wunde war so groß, dass er beinahe die Hand hineinstecken konnte; glücklicherweise gerann Posidios’ Blut schnell. Etwas Wein, in die offene Stelle geschüttet, ließ Posi-dios zu sich kommen und gleich darauf wieder in Ohnmacht fallen. Nachdem die Wunde gereinigt war, schmierte Cheftu eine Paste aus Honig und Fett darauf und zog schließlich die Ränder der Wunde zusammen. Mit gekauter Mastix-Paste klebte er Leinenstreifen über

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