Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
allein wiege fünf Kilo. Die
    Ägypter hatten Recht; Perücken waren entschieden einfacher.
    Andererseits trug sie hier ihr eigenes Haar, während im alten Ägypten Kahlköpfigkeit angesagt war. Außerdem hatten die anderen Frauen, die ihr begegnet waren, ihr Haar ähnlich frisiert.
    Hatten hier alle von Natur aus lockiges Haar?
    Wie die meisten der Sonne ausgesetzten Völker schützten die Aztlantu ihre Augen mit Bleiglanz. Chloe starrte in den Wasserspiegel. Hakennase oder nicht, sie sah fabelhaft aus. Wie eitel, dachte sie bei sich, doch es entsprach der Wahrheit. Zumindest die Kleidung war minoisch.
    »Wenn du dich genug bewundert hast, Narcissus«, sagte Selena, »könntest du dich vielleicht zum Rat aufmachen?«
    Der Rat, dachte Chloe. »Spare dir die scharfe Zunge«, sagte sie. »Ich will nur so gut aussehen, weil .« Wieso eigentlich? »Weil ich diesen Transfer nach Milos aushandeln muss.«
    »Wohl eher, weil du gehört hast, dass der neue Spiralenmeister wie Apis gebaut ist und Augen wie Safran hat«, korrigierte Selena.
    Auch deshalb, dachte Chloe und spürte, wie ihr die Knie weich wurden.
    Arm in Arm spazierten sie durch den Palast, immer wieder grüßend oder winkend. Der Garten war ein einziger Traum, überall blühten rote und goldene Blumen in Garben über den vereinzelt aufgestellten Sitzbänken mit welliger Rückenlehne. Über allem plätscherte beruhigend das Wasser, und Chloe entdeckte eine Kaskade von Teichen, die durch einen winzigen Wasserfall verbunden waren. Das Hauptbecken war mit einem Mosaik aus stilisierten Fischen, Tintenfischen und anderen Seewesen ausgelegt. Sie gingen daran vorbei und dann über eine Steinbrücke. Chloe drehte sich kurz um und entdeckte die klobige Pyramide, deren Regenbogenfarben in der Sonne noch intensiver wirkten. Woraus war dieses Ding gebaut?
    Die Frauen traten nach unten in einen großen Raum, und
    Chloe konnte gerade noch einen Aufschrei unterdrücken. Das hier gab es wirklich - es kam ihr unwirklich vor, doch es war wirklich. Hunderte von Menschen füllten den Raum, alle ebenso bunt und offenherzig gekleidet wie sie selbst. Hastig Sibyllas Wissen anzapfend, ging Chloe im Geist einmal um den Tisch.
    Zum einen gab es nur einen einzigen Tisch. Das allein war schon außergewöhnlich. Aus ihrem knapp bemessenen Innenarchitektur-Unterricht wusste Chloe noch, dass große Festtafeln eine Erfindung der Griechen waren, so wie bei Plato, Sappho, Perikles. Die Ägypter speisten an kleinen Tischen für eine oder zwei Personen.
    Dann begriff sie, dass dies keine Festtafel war, sondern ein Konferenztisch. Die Künstlerin in ihr hätte ihr Leben für einen Bleistift gegeben. Ein facettierter Stein, eine stilisierte Welle, eine dreizüngige Flamme, ein üppiger Rebstock mit Trauben, die Innenseite einer Kammmuschel, ein Schmetterling, eine Schlange, zwei Hörner, ein Dreizack und eine Säule. Die Säule entsprach im Stil jenen, die sie überall im Palast gesehen hatte. Sie war oben breiter als unten, was auf den ersten Blick ungewohnt wirkte, durch die karmesinrote Farbe aber unübersehbar wurde.
    Auch das war minoisch.
    Danach ging sie die Anwesenden durch: Nekros, mit frostigweißer Haut und Augen grenzenlos wie die Hölle. Iason, Posi-dios’ Nachfolger und neues Oberhaupt der Sippe der Welle. Seine Augen waren rot gerändert, und seine Hände zitterten auf Grund der ungewohnten Gesellschaft. Taglos, dunkel wie der Ruß, in dem er arbeitete, und lahm. Ihr Cousin Dion, die grauäugige Atenis, die Kela-Ata Embla, sie selbst, der Minos von Apis und der blonde Riese, der Hreesos war. Hinter jedem wartete der Erbe jedes Amtes. Hinter dem Platz des Spiralenmeisters stand, den leeren Schemel finster fixierend, ein Albino mit Augen, die lila schienen wie jene von Elizabeth Taylor.
    Es war wie in Holland. Im Durchschnitt sahen alle Menschen derart gut aus, dass selbst die hässlichen unter ihnen ansehnlich wirkten.
    Chloe setzte sich auf ihren Platz und wartete darauf, dass die Sitzung eröffnet wurde.
    Schwer schluckend rezitierte sie ihren rituellen Spruch, dann rief Hreesos die Versammlung zur Ordnung. Verträge mussten neu ausgehandelt werden; es musste gefeilscht werden - und bei beidem versagte Chloe kläglich. In jedem Zeitalter. Sie lehnte sich zurück und bat die Minoerin - Aztlantu, verbesserte sie - Sibylla, für die Zeit während der Versammlung die Kontrolle zu übernehmen. Andernfalls wirst du viel Geld verlieren, warnte sie die andere. Müde ergriff Sibylla das

Weitere Kostenlose Bücher