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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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war verstrichen? Wussten sie, dass er festsaß? Cheftu fuhr sich mit den Händen durch das schweißnasse Haar und zwang sich zur Ruhe. Gott, ich kann nichts mehr tun. Ich weiß nichts hierüber. Bitte hilf mir.
    Vertrau mir ...
    Die Stimme klang fest und sicher. Cheftu atmete ein paarmal tief und ruhig durch und wandte sich dann wieder dem Tisch zu. Chemikalien und Hitze agierten miteinander. Hier war die Ordnung von entscheidender Bedeutung. Er schnüffelte an jedem Fläschchen, bis der Geruch ihm den Namen jedes Mittels ins Gedächtnis zwang, mitsamt allen Eigenschaften, wie und wozu man es verwenden konnte.
    Den Geist auf einen einzigen Punkt intensivster Konzentration verengt, verließ sich Cheftu ganz auf seinen Instinkt und versuchte, Angst in Mut zu verwandeln. Er begann zu mischen und messen.
    Der Gestank des Athanor wurde allmählich immer schärfer, und seine Augen tränten, während er gleichzeitig um Atem rang. Es gab keinen Weg aus dem Raum heraus, und er fragte sich, ob er wohl mit dem Erstickungstod zahlen würde, wenn er bei dieser Prüfung versagte. Der Raum zitterte leise, das nächste Erdbeben, nahm Cheftu an, doch als er die Augen wieder aufschlug, stand vor ihm ein Sarkophag aus Obsidian.
    Ich soll mich also nicht nur umbringen, sondern auch noch selbst bestatten?
    Je heißer der Athanor wurde, desto mehr sog der Ofen die von Cheftu benötigte Atemluft in seinen rotglühenden Leib, um dafür Gift auszuspeien. Cheftu streifte seine Kleider ab und ging zu dem Sarkophag. Er fasste sich kühl an und war so tief ausgehöhlt, dass der Leib eines Mannes hineinpasste.
    Schwindel packte ihn, und Cheftu begriff, dass er nur noch wenige Minuten bei Besinnung bleiben würde. Einst, während der Initiation Amuns, hatte er gelernt, wie man seinen Geist auf die Reise schickt und den Körper in einen todesähnlichen Schlaf sinken lässt. Ob er das wohl noch einmal vollbringen konnte? Sich in eine Art Stasis zu versetzen?
    Mit müden, vor Schmerz schreienden Muskeln zog er sich über den Rand des Sarkophags und ließ sich hineinfallen. Sobald er flach darin lag, begann er, tief zu atmen. Bitte, Gott, bitte. Er konnte nicht über den Rand des Sarkophags blicken. Mit geschlossenen Augen brachte Cheftu seinen rasenden Puls zur Ruhe, zählend und innehaltend, bis sein Stoffwechsel sich verlangsamte. Ein Surren drang an seine Ohren, doch er ließ nicht zu, dass seine Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Er spürte, wie sein Körper allmählich schwerer wurde, immer schwerer und träger.
    Es war ähnlich dem Gefühl bei Zeitreisen, als sein Körper zum ersten Mal, einem schweren Mantel gleich, von ihm geglitten und er nackt, losgelöst von Körper und Seele davongesegelt war ... Cheftus Geist stellte sein Arbeiten ein, und er ruhte, hoch über seinem Körper, hoch über dem Raum, hoch über der Pyramide, hoch über Aztlan.
    Die Ratsmitglieder gingen in der Kammer herum, speisend und trinkend und immer wieder zu den Leibeigenen hinsehend, die in regelmäßigen Abständen den Himmel draußen prüften und ihre Beobachtungen dann nach drinnen meldeten.
    Dem neuen Spiralenmeister wurde allmählich die Zeit knapp.
    Chloes Finger lagen wie Eiszapfen um ihren Rhyton, und sie hatte bereits Dion wie auch Vena zu Tode gelangweilt, die sich gemeinsam abgemüht hatten, sie in ein Gespräch zu verwik-keln. Los, Cheftu! Denk nach! Arbeite! Mach schon! Der Sand rinnt immer weiter!
    Selena, der offenbar nicht entgangen war, welche Anteilnahme Sibylla zeigte, hatte erwähnt, dass Phoebus und Niko in den Gemächern des Aufsteigenden Goldenen warteten, um dort zu feiern, sobald Zelos den Spiralenmeister nach seinem Versagen getötet hätte.
    Diese Leute haben ein viel zu ausgeprägtes Konkurrenzdenken, überlegte Chloe.
    Mach schon, Cheftu!
    Cheftu erwachte abrupt - sein Körper war kalt wie Schnee, der Sarkophag versiegelt. Mit einem tiefen Atemzug schöpfte er neue Luft. Der Gestank des Athanor stach immer noch in seiner Nase, und er starrte hustend zu dem schwarzen Deckel über seinem Unterleib hinab. Er war vollkommen erstarrt. Er zwang seine Finger dazu, sich zu bewegen, neues Blut in die Kuppen zu pumpen. Er fuhr sich mit fahriger Hand über das Gesicht -wieder einmal war sein Bart nicht gewachsen. Dann wuchtete er sich hoch und lehnte sich gegen die Seitenwand des Sarkophags. Es war heller im Raum, heller als vorhin beim »Einschlafen«.
    Mit zitternden Muskeln und klopfendem Herzen krabbelte er aus dem Sarkophag heraus. Erschrocken

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