Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
sich an der bemalten Wand ab. Das tiefe Rauschen von Wasser war aus dem Gitterwerk von tönernen Leitungen zu hören, die den ganzen Palast durchzogen und Abwässer, wie den Inhalt seines Magens, ins Meer schwemmten.
    Er ging an seine Liege und sank mit einem erschöpften Seufzen darauf nieder. Er hatte vorgehabt, heute Chloe zu besuchen, nachdem Atenis ihm endlich ihren Aufenthaltsort verraten hatte. Ein Schurz würde ihn bedecken, doch wie oft behielt er in Chlo-es Nähe seine Sachen an? Dennoch bereitete ihm nicht einmal der Gedanke an ihren schlanken, biegsamen Leib Vergnügen.
    Plötzlich begann der Raum um ihn herum zu kreiseln.

Ehe Cheftu Nestor gegenübertrat, musste er sich rasieren und umziehen. Sein Bart lag gerade dampfend unter einem Leintuch und wartete auf Rasur, als er jemanden in den Raum treten hörte. Auf ein schnelles Schnippen hin entschwanden Cheftus Leibeigene, und dann spürte er fremde Hände auf dem Tuch. Seine Augen blieben bedeckt, während der Fremde sein Kinn einseifte. Die langen Finger waren rau, es waren die Hände eines Arbeiters, keines Kammerdieners.
    Jeder Gedanke an eine mögliche Entspannung war vergessen, als die Rasur begann. Cheftu wagte nicht zu sprechen, aus Angst, der Mann würde ihn schneiden. Doch die Berührung des Fremden war eigentümlich sanft und liebevoll, und Cheftus Muskeln spannten sich in unbewusster Abwehr an.
    »Wie geht es dir heute, Cheftu? Bist du bereit für die Feier heute Nacht?« Mit einer großen Geste und einem Lächeln zog Dion das Tuch von Cheftus Gesicht.
    Die Ängste, die, uneingestanden und unerbeten, in Cheftus Geist zu blühen begonnen hatten, schmolzen dahin. Schließlich war das Dion! Das Sippenoberhaupt, nach dem alle Frauen verrückt waren. Man sagte ihm sogar nach, dass er mehrere zugleich im Bett beglückte. Cheftu erwiderte sein Lächeln. »Ich habe gehört, bei diesem Fest handelt es sich eher um eine Sinnenfeier als um ein religiöses Ritual.« Er nahm Dions Hand, die ihm aus dem Stuhl half, und Dion schnippte nach den Leibeigenen, die Cheftus Kleider brachten.
    »Genau«, bestätigte Dion. »Bist du bis jetzt enttäuscht worden?« Es schien ihn kein bisschen zu stören, dass Cheftu nackt vor ihm stand, darum lenkte Cheftu seine Gedanken in andere Bahnen und versuchte, sich nicht dadurch irritieren zu lassen, dass ein Leibeigener einen aztlantischen Schurz um seine Hüften band. Schließlich hatte Dion als Erster den Bubo entdeckt, eine Erinnerung, bei der Cheftu immer noch insgeheim zusammenzuckte.
    Cheftu konzentrierte sich auf den Schurz, der wie üblich in einem jener überirdischen Muster gehalten wurde, an denen selbst ein Pariser Couturier Gefallen finden würde. Er reichte bis hoch in den Rücken, die Front hingegen war mit einem Reptiliensaum umfasst und endete in einer riesigen Quaste, die ihn an den Knien kitzelte. Die wilde Mischung von Farben und Mustern machte ihn schwindelig.
    Gemeinsam betraten sie das Laboratorium, und Dion versprach, Nestor wie auch Cheftu das Mittagessen zu bringen. Nestor war bereits damit beschäftigt, Formeln zu kopieren; er trug dasselbe wie am Abend zuvor, und Cheftu erkannte an Nestors starrem Blick, dass auch er die Nacht allein verbracht hatte.
    Plötzlich wurde Cheftu alles zu viel; was hatte er hier zu suchen, während Chloe woanders war?
    »Ich fahre nach Prostatevo«, verkündete er.
    Nestor lächelte. »Sei bis Monduntergang wieder hier und vor jeder Gefahr gefeit, bis meine Augen dich wieder erblicken.«
    Cheftu öffnete die Tür, doch die nächste Bemerkung ließ ihn innehalten. »Und grüße Sibylla von mir.«
    Der Spiralenmeister verschwand ohne ein weiteres Wort.
    Seit Tagen, dachte Chloe. Seit Tagen war sie allein hier. Doch sie konnte sich das Lächeln nicht völlig verkneifen. Sie arbeitete mit Farbe! Herrlicher Farbe! Endlich war sie wieder in einer Welt, in der sie sich auskannte. Es war ein wunderbares, phantastisches Gefühl, gar nicht zu vergleichen damit, die Chefin einer Kuhherde zu spielen.
    Zum vollkommenen Glück fehlte ihr nur noch eine Nachricht von Cheftu, dem superheißen Spiralenmeister persönlich. Chloe zuckte mit den Achseln und gab sich Mühe, nicht kleinlich zu sein, doch er hätte ihr wirklich zumindest einen Briefvogel schicken können! Sie war sicher, dass er sie gesehen -und erkannt hatte. Er hielt sie doch gewiss nicht für tot?
    Chloe wischte die Linie aus und legte konzentriert die Stirn in Falten. Sie nahm ihren Pinsel wieder auf und sah sich um.

Weitere Kostenlose Bücher