Die Seherin von Knossos
Kammerdiener den Maeemu auf Eumelos’ Schulter.
»Bin ich bereit?«, fragte Phoebus.
Der Kammerdiener musterte ihn kühl.
»Du trägst die goldenen Federn, das goldene Korsett, den langen Schurz in Lila und Gold.« Der Mann drehte an seiner Stirnlocke. »Du hast deinen Anhänger, deine Ringe, deine Siegel.« Dabei tippte er in einer graziösen Geste mit den juwelengeschmückten Händen gegen sein Gesicht. »Sobald wir diese Federdecke angelegt haben, müsstest du bereit sein.«
»Dann mach.«
Der Kammerdiener hob den zeremoniellen Überwurf auf. Er bestand tatsächlich aus Federn. Pfauenfedern bildeten eine Rüsche um Phoebus’ Hals und zogen sich von dort aus auf der Vorderseite im rechten Winkel abwärts, sodass sie den gesamten Überwurf in Therosblau umrahmten, dem leuchtenden LilaBlau des Meeres. Der übrige Umhang bestand aus weißen Federn, die in Gold getaucht worden waren. Er stank, war schwer und unbequem, doch der Brauch wollte es so. Die beiden Hilfskräfte des Kammerdieners halfen Phoebus, ihn glatt zu ziehen, dann öffneten sie die Tür.
Phoebus drehte sich um, ohne dem Schniefen des Kammerdieners Beachtung zu schenken, und deutete auf die vier Seesoldaten, die den Tragsessel hielten. Von diesem Tag an würde Phoebus sich tragen lassen. Der Goldene Stier ging oder rannte niemals vor den Augen seiner Untertanen.
»Zur Pyramide der Tage, Aufsteigender Stier«, verkündete der Leibeigene, bevor er Phoebus in den goldenen Sessel half und den goldgefiederten Überwurf straff zog.
Das Lärmen der Gesänge schlug ihm entgegen, noch ehe sie auf dem Hauptgeschoss des Palastes angekommen waren. Im Thronsaal drängten sich Abgesandte aus den zahlreichen Kolonien und Vasallenstaaten Aztlans. Jener Völker, die sie durch Handel erobert hatten. Wie viele würden sie noch erobern? fragte er sich.
Er wurde an zwei riesigen roten Säulen vorbei und den Gang zum Ring des Stieres hinuntergetragen. Heute hatte sich dort der aztlantische Hof versammelt, und die grellbunten Röcke und gleißenden Juwelen strahlten in der hellen Tagessonne. Phoebus richtete seine Aufmerksamkeit nach vorn, an den drängelnden Tausenden vorbei, die den flaggengesäumten Fußweg vom Palast zur Anhöhe hinauf säumten. Schon spürte er die Anziehungskraft des Tempels, jene Anziehungskraft, die er schon als kleiner Junge wahrgenommen hatte.
Wenn nur Irmentis bei ihm wäre ... Er verschloss seinen Geist vor dem Gedanken und starrte auf den Tempel. Der Ägypter hatte die Prüfungen in der Pyramide bestanden; Phoebus würde sie ebenfalls bestehen.
Cheftu erwachte und starrte auf die geometrischen Zeichnungen an der Decke. Speichel sickerte aus seinem Mundwinkel, und ihm blieb nur ein Augenzwinkern lang Zeit, zum Waschtisch zu stürzen, ehe ihn die Übelkeit überwältigte.
Schwitzend und bibbernd kauerte er sich auf dem bemalten Boden zusammen.
Er war krank.
Seit Monaten bibberte er bereits. Bisweilen packte ihn eine kurzfristig auftretende Euphorie. Zu anderen Zeiten fühlte er sich orientierungslos und verirrte sich im Palast.
Und jetzt das.
Ein Bein ausgestreckt, starrte Cheftu auf die Schwäre an seinem Geschlecht. Sie schwoll immer weiter an. Vor zwei Monden hatte sie noch ausgesehen wie eine wunde Stelle, rot und empfindlich, wenn er sie berührte. Jetzt war sie angeschwollen und schmerzte jedes Mal, wenn er sein linkes Bein bewegte.
Verängstigt ließ er den Kopf in beide Hände sinken. Sein Gehirn schien ihm nicht mehr zu gehorchen, er wusste nicht mehr, wie er Herr seiner Gedanken bleiben sollte. Der Biss auf seiner Schulter war verheilt, doch er konnte sich nicht vorstellen, was ihn sonst verletzt haben könnte. Hatte der Stier in dem ägyptischen Apis-Heiligtum irgendeine Krankheit übertragen? Fünf Dinge durchströmten den Körper: Blut, Schleim, Urin, Samen, Luft. Mit keinem davon hatte er Kontakt gehabt, nur mit Speichel. Mon Dieu, was sollte er tun?
Er wischte sich einen Speichelfaden vom Mund und verzog das Gesicht. Chloe hatte seine Entscheidung, seine Körperhaare wachsen zu lassen, nicht hinterfragt. Ihm war das zuwider, doch dadurch verbarg er die Schwäre vor ihrem Blick, und er hatte Chloe so weit ablenken können, dass sie die Stelle nicht berührt hatte. Er blickte auf seinen Hoden; sie sollte nichts davon erfahren. War er ansteckend? Würde er sie infizieren? Konnte er diese Tatsache vor ihr geheim halten? Solltest du das? hörte er sie im Geist fragen.
Stöhnend rappelte Cheftu sich hoch und stützte
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