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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Atenis zu Folge sollte dies ein Kinderzimmer werden. Doch nichts wirkte leicht und fröhlich genug. In einer Nachahmung von Atenis’ Stil hatte sie die Umrisse eines aztlantischen Jungen gezeichnet, mit Jugendlocke und diesen wunderbar wässrigen aztlantischen Augen. Und was sollte er tun?
    Chloe starrte die Wand an. Womit beschäftigten sich kleine Jungs? Mit Angeln? Hier nicht. Basketball? Kaum. Nintendo? Chloe lachte leise in sich hinein. Sie drehte allmählich durch.
    Zwei Jungs vielleicht? Und was taten die? Chloe begann, einen zweiten Knaben zu zeichnen, und streckte dann neckisch einen Arm zur Nase des anderen hin. Nimm das, dachte sie. Die Skizze kam ihr vertraut vor, so als wüssten ihre Hände genau, was sie zu tun hatten, und auf welche Weise.
    Mit zusammengekniffenen Augen nahm sie ihren Pinsel auf und begann zu malen. »Du kannst Cheftu sein«, erklärte sie dem ersten skizzierten Knaben. Er hatte mandelförmige Augen und lange Brauen. Mit schnellen Strichen zog sie ihrem Jungen einen Boxhandschuh über. Nun versetzte ihr Knabe Cheftus Knaben einen Nasenstüber, und zwar mit voller Wucht. »Das hast du davon, dass du nicht nachgekommen bist«, erklärte sie dem Gemälde.
    »Ich habe nicht gewagt, so viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.«
    Chloe wirbelte herum, kam aus dem Gleichgewicht und fiel gegen die Wand. Cheftu stand in der Tür, gegen den Rahmen gelehnt, als stände er schon seit Stunden dort.
    Er war so atemberaubend, dachte Chloe.
    Er beherrschte die hohe Kunst der Anpassung. Sein Schurz war dezenter als bei den meisten Aztlantu, und der Anhänger mit dem Sippenzeichen hing in der Mitte seiner Brust. Die eigenartige Scheibe, die er stets um den Bauch trug, bewegte sich leicht unter seinen Atemzügen. Schwarzes Haar fiel über seine Schultern, und die kunstvoll eingeflochtenen Strähnen waren mit Goldfäden durchwoben. Seine Haut wirkte bleicher als üblich, aber das war kaum verwunderlich, schließlich verbrachte er die Tage im Haus. Bleiglanz umringte seine Augen, die dadurch noch heller leuchteten, und seine Miene war nicht zu deuten. Sie starrten einander mit großen Augen an.
    »Und ich bekomme keinen Handschuh«, bemerkte er mit einem Lächeln. »Das erscheint mir ungerecht.«
    »Wer behauptet denn, dass es im Leben gerecht zugeht?«
    »Touché.« Aus seinem antik gekleideten Körper hörte sich das Französisch doppelt unpassend an. Chloe wandte sich wieder dem Gemälde zu und malte die Augen ihres Knaben mit Tusche aus. »Das ist kaum der Empfang, den ich mir erhofft hatte«, stellte Cheftu neben ihr fest.
    Chloe zuckte zusammen und malte das zweite Auge schief.
    »Dann hättest du vielleicht schon gestern auftauchen sollen«, bemerkte sie spitz.
    Er schob seine Finger in ihr Haar und zog ihren Kopf ganz sanft zurück, aber dennoch so, dass außer Frage stand, wer hier das Sagen hatte. »Das war nicht möglich. Dafür haben wir jetzt Zeit, alles nachzuholen, oui, ma chère?«
    Sie sah in seine Augen und versuchte, seine Gedanken, seine Gefühle zu lesen. Er verschwieg ihr etwas, das spürte sie.
    »Lass mich los.«
    Er gab sie frei, und sie kniete nieder, um in einer Tonschale türkise Farbe einzumischen.
    »Ich habe die Löcher im Gehirn entdeckt, das einzige Symptom dieser Seuche«, erklärte Cheftu knapp. »Danke der Nachfrage.«
    Die Lippen fest zusammengepresst, mischte Chloe in einem Mörser das Mafkat-Pulver mit Wasser.
    »Herzlichen Glückwunsch.« Sie erhob sich wieder, die Pinselspitze mit türkiser Farbe beladen.
    »Ich hatte in letzter Zeit so ein ... komisches Gefühl. Ich finde mich nicht zurecht«, bekannte Cheftu. »Die Aztlantu sind ein eigenartiges Volk. Das menschliche Leben bedeutet ihnen wenig, sie würden alles für neue Attraktionen opfern.«
    »Du sprichst in Rätseln.« Chloe prüfte auf ihrem Handrücken die Festigkeit der Farbe.
    »Merde, Chloe! Du fehlst mir! Mir fehlt deine Geradlinigkeit, dein Humor!« Er drehte sie herum, sodass türkise Farbe über sie beide spritzte, ein strahlender Kontrast auf seinem karmin- und safranfarbenen Schurz. Auch ihr Gemälde wurde besprenkelt.
    »Verdammt noch mal, Cheftu! Ich habe stundenlang an diesem Bild gearbeitet, und wenn du glaubst, du könntest einfach hier hereinspazieren, wann immer es dir passt, meine Gemälde ruinieren und erwarten, ich würde dir in die Arme -«
    Er packte sie am Kinn und gab ihr einen drängenden Kuss. Chloe stieß ihn weg, wobei sie sich und ihn mit noch mehr Farbe bekleckerte. »Du

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