Die Seherin von Knossos
von Ileanas makellosem Gesicht zu fegen. Zum Glück ließ sich sein Geschlecht von seinen Gefühlen nicht beirren, und sein Zorn wie auch seine Verachtung wurden von einer Woge inneren Friedens und drogenseliger Zufriedenheit überlagert.
Die Gesänge nahmen an Lautstärke wie auch an Spannung zu, und die Kela-Ata hauchte: »Jetzt!« Nicht willens, Ileana mehr als nötig zu berühren, stützte er sich mit beiden Armen neben ihrem Kopf ab. Ihre Augen weiteten sich, als er rücksichtslos in sie drang. Seine Lippen fühlten sich pelzig an, und sein Verstand war vernebelt. So war sein Hass auf sie geblieben, sein Wunsch, sie zu bestrafen? »Ich weiß, was du getan hast«, flüsterte er. Sie passte sich seinen Bewegungen an. »Dafür wirst du bezahlen, Skeela-Göttin.« Selbst in seinen Ohren klangen seine Worte schal.
»Dich zu ertragen, ist wohl Strafe genug«, murmelte Ileana mit geschlossenen Augen.
Ihre Worte waren eine Beleidigung, und Phoebus hätte ihr gern in gleicher Münze heimgezahlt, doch seine Lippen verweigerten ihm ebenso den Dienst wie sein Verstand. Durch einen Schleier, der umso dichter wurde, je kleiner das Kau-stück in seinem Mund wurde, fühlte er seine Hände auf ihren Hüften. Verloren in einem Strudel von Gefühllosigkeit spürte er kaum mehr die winzigen Steine, die in ihre kalte Haut gebettet waren. Phoebus drückte sie tiefer hinein, eine schwache Genugtuung.
Ileanas gezischte Beleidigungen verkümmerten zu einem leisen Stöhnen und Schnaufen, und Phoebus missfiel die Reaktion seines Körpers darauf. Selbstbeherrschung, er durfte sie keinesfalls verlieren. »Ich hasse dich«, flüsterte er halb lallend. Sie näherte sich dem Höhepunkt, unbewusst hielten sich ihre Hände an ihm fest, flatterten über sein Gesicht und seine Brust. »Ich wünschte, ich wäre eine Klinge«, murmelte er. »Dann würde ich dich ebenso beschneiden, wie du Irmentis beschnitten hast.«
Er merkte, dass seine Beine ihn nicht länger trugen. Sie sackten unter ihm ein, und er würde gleich, gleich ...
Sie schrie ihre Muttergöttinnen-Lust hinaus, und Phoebus biss die Zähne zusammen, um der Verführung ihres Leibes zu widerstehen. Würde sie es merken? Er sackte über ihr gegen den Felsenthron, zitternd und benommen.
Die Kela-Ata wollte ihn wegziehen, doch Phoebus wehrte sich; er brauchte noch Zeit, sonst würde sie merken, dass er sich zurückgehalten hatte. »Komm mit!«, sagte die Priesterin, und Phoebus versuchte, sich zu bedecken. Ileana bekam einen Trank aus Mohn und Alraune gereicht, der dazu beitragen sollte, dass sein Samen in fruchtbarem Boden wurzelte. Ihre Beine wurden übereinander gefesselt und angehoben. Er war frei - sie hatte nichts gemerkt! Phoebus schloss die Augen. Nur noch neunundzwanzigmal brauchte er das zu wiederholen.
Die heilige Ehe war vollzogen.
Phoebus und Niko befanden sich eben in einer Unterredung mit Nekros, als der neue Hohepriester Einlass verlangte. Er grüßte nur flüchtig, und Niko erinnerte ihn scharf an Phoebus’ Rang. Nachdem sie den vorgeschriebenen Wein geteilt hatten, forderte Minos, Phoebus müsse den Berggipfel erklimmen, um Apis zu opfern.
»Den Kegel besteigen? Bist du von Sinnen?«, fuhr Niko ihn an.
»So will es die Tradition.«
»Davon habe ich noch nie gehört«, sagte Phoebus. Er beobachtete Niko, dessen Blick ganz nach innen gerichtet war. Wenn es irgendwo niedergeschrieben war, würde Niko sich daran erinnern. »Wann wurde das zum letzten Mal gemacht?«
»Kurz bevor die Sippe der Olympier an die Macht kam«, antwortete Minos. »Auf diese Weise wurde angeblich dafür Sorge getragen, dass keine Erdbeben auftraten. Inzwischen ist es allerdings ein allgemein anerkanntes Ersatzritual.«
»Wozu braucht Hreesos ein Ersatzritual? Was soll das Geschwätz?«, fragte Niko.
»Die Priester weigern sich, einem Goldenen zu folgen, der Minos bei einem geheiligten Ritual getötet hat. Wenn Apis das Opfer annimmt, wird Phoebus unter seinem Schutz stehen. Die
Himmel selbst wollen es so«, verkündete Minos.
»Ich habe den Minos nicht getötet«, protestierte Phoebus.
»Er starb, während er für dich prophezeit hat. So sehen es die Priester, und deshalb verlangen sie dieses Opfer«, widersprach Minos.
»Er sagt die Wahrheit«, pflichtete Nekros ihm widerwillig bei. »Wenn du dich weigerst, werden die Priester glauben, Apis sei nicht mit deiner Regentschaft einverstanden.«
»Wir leben doch nicht mehr in der abergläubischen Zeit der Alten!«, protestierte Phoebus.
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