Die Seherin von Knossos
blickte auf den reglosen, verdrehten Körper.
Der nächste; die Sonne stand noch nicht einmal im Zenit, und schon waren fünf weitere gestorben. Er spürte, wie der Schmerz seinen gesamten Körper durchdrang bis in seinen Geist. Sie konnten unmöglich gewinnen, sie konnten die Menschen nicht retten. Er lebte unter Leichen; er war selbst ein Leichnam, der nur darauf wartete, sich irgendwann niederzulegen.
»Ruf Nekros«, befahl er einem Leibeigenen.
»Nekros hat in der Morgendämmerung seine Reise angetreten«, erwiderte der Leibeigene. Wieder traf Cheftus Blick auf Nestors. Dann sahen beide weg und begannen, den Leichnam zurechtzulegen.
Niko konnte sich nicht entsinnen, wann die Pein zum Pläsier geworden war, er konnte überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Doch irgendwann war, verloren unter Ileanas Geruch und Geschmack, etwas aus seinem tiefsten Inneren ans Licht gekrochen. Rücksichtslos rammte er in sie hinein; sie bettelte um mehr. Seine Vernunft hatte ihn verlassen, die Welt war auf die Parameter seines Geschlechts reduziert. Schweiß tropfte von seiner Stirn auf ihre Brüste, ihre Knie waren eng zusammengepresst, er spürte die Muskeln in ihren Waden auf seinem Hals.
Der Schrei rüttelte ihn auf; er klang nicht nach Ileana, darum unterbrach er sein Ringen. Schmerzen rasten durch seinen Rücken, bis er ihn so weit wie möglich durchdrückte und Ilea-na zum Höhepunkt kam, sodass sich ihre Verzückungsschreie mit seinen Schmerzensschreien vermischten. Weißes Feuer brannte durch seinen Leib, als er herumgerissen wurde und dabei erst in einen Tisch rumpelte und dann gegen eine Wand krachte.
Glasfläschchen und widerwärtige Flüssigkeiten zerknirschten unter Niko, als er sich erhob und mit den Augen wahrnahm, was sein Herz nicht begreifen konnte. Phoebus, das Gesicht von Hass entstellt, die Hand fest um eben jenes Messer geklammert, auf das er noch vor wenigen Wochen geschworen hatte.
Blut tropfte von der Klinge, dasselbe Blut, das bereits Nikos schweißigen Leib überzog.
»Betrüger!«, zischte Phoebus.
Plötzlich ging Niko auf, dass Phoebus nichts begriffen hatte. »Nein«, fiepte er. »Ich hab es nur für das Eli ...« Phoebus’ Hände schlossen sich um seine Kehle, und die Worte flogen wie Speichel an Nikos Gesicht.
»Er ist gestorben, einfach so. Hustend, keuchend, pfeifend. Ich habe ihm versprochen, er würde athanati, und er ist gestorben.« Niko kämpfte gegen die steinharten Finger seines Freundes, gegen die sehnigen Handgelenke an. Allmählich färbte sich sein Blickfeld lila. »Ich habe dir das Leben meines Sohnes anvertraut, doch du hast mich betrogen. Mit einer Hure!« Der Griff wurde fester; Niko bekam keine Luft mehr, er konnte nichts mehr sehen, er meinte etwas knacken zu hören - seine Knochen etwa? »Du hast meinen Sohn umgebracht, du Abtrünniger! Du hast ihn umgebracht!«
Die letzten Worte bekam Niko ebenso wenig mit wie Phoebus’ letzten Schlag. Niko spürte nichts mehr, trotz der prophetischen Steine in seiner Tasche und des Elixiers in seinem Beutel.
»Er hat es für dich getan«, sagte Ileana. Hreesos drehte sich zu ihr um, und sie krabbelte rückwärts davon. So hatte sie Phoebus noch nie gesehen. Wie dumm von ihr, ihn daran zu erinnern, dass sie auch noch da war.
»Du Skeela!«, brüllte er und rannte auf sie zu. Ileana schwang sich vom Tisch und ging dahinter in Deckung, genau als Phoebus dagegen krachte. Waffe, sie brauchte eine Waffe. Er schleuderte den Tisch zur Seite, während sie auf Händen und Füßen zum nächsten krabbelte, wo sie eine zerbrochene Phiole auflas. Er setzte ihr nach, mit bloßen Füßen über Glasscherben trampelnd. Sie zog sich hoch, während er unerbittlich näher kam. Seine Hände fassten nach ihr, da hieb sie mit der zackigen Glaskante nach ihm.
Phoebus taumelte rückwärts, stolperte über Nikos regloses Bein und fiel nach hinten auf die Ellbogen. Ileana sprang ihm nach und versenkte das Glas mit aller Kraft in seinem Bauch. Seine Hände krümmten sich in Todesqualen, während er sich erhob, in der verzerrten Imitation der Umarmung eines Liebenden.
Dann wälzte er sich auf die Seite und krabbelte ihr nach. Ileana lief los, stürzte und lief weiter. Seine Hand schloss sich um ihr Fußgelenk, doch sie versuchte, sie mit aller Macht loszutreten. Alles war mit Blut verschmiert und so glitschig, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte. Als sie nach einer neuen Waffe grabschte, landete sie auf dem Boden.
Phoebus regte sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher