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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Latrinen.
    Nachdem sie zu ihrem Opfer zurückgelaufen war, näherte sich Ileana Niko ganz vorsichtig, aus Angst, er könnte sie noch einmal angreifen. Sie probierte, ihn über den Boden zu schleifen, doch dafür war er zu schwer und zu glitschig, sodass sie ihn nicht festhalten konnte. Sie durchquerte Spiralenmeisters Laboratorium, wobei sie alles hektisch absuchte. Da! Unter einem Stapel getrockneter Felle stand eine Holzkarre. Nachdem sie das Gefährt herausgezerrt hatte, rollte Ileana es zur Tür, wo Niko immer noch vollkommen reglos lag.
    Den Leib unter den Armen packend, zog sie ihn hoch und rückwärts auf die Holzkarre. Zur Hälfte schleifte sein Leib am Boden, doch sie schaffte es trotzdem, die Karre zu schieben. Eine Blutschliere zog sich wie ein Wegweiser in Richtung Latrine, und sie erkannte mit angeekelter Miene, dass sie diese Spur wohl würde wegputzen müssen.
    Unter dem beißenden Gestank würgend, zog sie den hölzernen Sitz herunter, woraufhin eine Brise nach oben fegte, die ihre Haare durchwühlte und sie fast zum Erbrechen brachte. Die Öffnung war groß genug für ihn, aber auch weit oben. Wie sollte sie ihn so hoch hinaufschaffen? Vorsichtig löste sie die Schärpe, dann nahm Ileana seine Beine und ließ sie in das Loch baumeln, das bis in den Kanal unterhalb der Insel hinabreichte.
    Sie zog und wuchtete seinen schweren Leib nach oben auf den Latrinensitz. Er rutschte nicht durch! Nachdem Ileana die Schärpe um seine Brust und unter seinen Armen hindurchgezogen hatte, kletterte sie auf den steinernen Absatz und baute sich mit gespreizten Beinen über dem Loch auf. Dort oben auf dem Sims musste sie den Kopf einziehen, weil über ihr eine Fackel brannte. Seine Beine waren schon in der Öffnung, nur sein Oberkörper blieb noch nach hinten weggekippt - sie brauchte ihn nur nach vorne zu ziehen, dann würde ihn die Schwerkraft ganz allein nach unten reißen.
    An der Schärpe ziehend, wuchtete sie seinen Körper nach vorne, doch nicht weit genug. Ileana ging in die Hocke, packte ihn um die Taille und zerrte mit aller Kraft.
    Nikos Hände krallten sich in ihr Haar, dann lachte er, ein rasselndes, bösartiges Krächzen. »Du kommst mit mir, Ileana. Endlich kann ich meine Treue zu Phoebus beweisen.«
    In dem winzigen Augenblick, der ihr noch blieb, trat Ileana ihn in den Rücken, genau in die flache Messerwunde, die Phoebus ihm beigebracht hatte. Nikos Schrei gellte in ihren Ohren, als sie zurücktrat und von dem Steinsims wieder auf den Boden sprang. Er kippte einen Moment, dann rutschte er mit einem Grunzen abwärts.
    Zitternd blickte Ileana in die Latrine hinab.
    Finger umklammerten den oberen Rand, elegante, blutverklebte Finger. Dann erschien eine ganze Hand und sie hörte, wie er sich ächzend nach oben zog. Dieselbe Hand, die ihre Brüste gehalten und ihr Geschlecht umfasst hatte, wollte jetzt ihren Tod.
    Sie packte die oben angebrachte Fackel und senkte sie auf die Hände nieder. Sein Schrei hallte durch den Schacht, doch er ließ nicht los. Schwarzer Hass stand in seinen veilchenblauen Augen, während er sich immer höher zog, mit über die Schultern wallendem blonden Haar. »Du Skeela«, zischte er.
    Ileana senkte die Fackel nach unten auf die Locken seines mondscheinfarbenen Haares, um den jungen Körper in Brand zu stecken, der ihr zuvor gedient hatte. »Meine Leidenschaft hat dich entflammt«, flüsterte sie, als die Flammen übergriffen. Niko schlug nach seinen auflodernden Brauen und verlor dadurch den Halt.
    Noch lange nachdem sein brennender Leib verschwunden war, stand sein qualvoller Schrei in der Luft.
    Doch nicht so lange wie der Gestank nach verbranntem Fleisch.
    Verputz regnete auf Chloes Kopf herab und unter ihren laufenden Füßen stieg Kalk auf. Hustend und keuchend rannte sie durch einen scheinbar lebendig gewordenen Gang. Offenbar gab es gerade wieder ein Erdbeben auf Aztlan! Sie passte nicht auf und stolperte, dass ihr Schrei um sie herum widerhallte, während sie eine Schräge hinabschlitterte, von einer Wand an die andere prallend, bis sie schließlich mit einem Purzelbaum auf dem Boden landete. Dem ruhigen Boden.
    Gott sei Dank.
    Im Aufstehen, wobei sie alle beweglichen Körperteile überprüfte, sah Chloe nach oben. Zum ersten Mal konnte sie etwas erkennen. Dies musste die unterste Ebene sein, dachte sie. Hoffentlich war sie weit genug von Irmentis weg. Chloe vermochte nicht einmal auszusprechen, was sie von der Jägerin hielt. Der Boden bebte erneut, doch diesmal blieb

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