Die Seherin von Knossos
mehr. Sie versuchte, von ihm wegzurutschen, doch daraufhin zog er sie über seinen Leib. Mit angespannten Läufermuskeln wartete sie, bis ihr Knie auf einer Höhe mit seinem Kinn war, dann rammte sie es hoch.
Sein Heulen brandete um sie herum auf, doch sein Griff lok-kerte sich weit genug, dass sie sich befreien konnte. Ileana lief zur Tür und schloss sie keuchend, um dann dahinter zu lauschen.
Das Splittern von weiterem Glas - er hatte den nächsten Tisch umgeworfen - das Rumpeln von Holz auf Holz . dann wurde es still.
Sie sah an sich herab. Nackt, in Blut und Samen gebadet.
Ein Blick auf die Tür verriet ihr, dass sie überall ihre Handabdrücke hinterlassen hatte. Auf der anderen Seite lagen die Leichen von Hreesos und Niko. Och Kela, was hatte sie getan? Sie hatte den Goldenen getötet? Ich hatte keine andere Wahl, rechtfertigte sie sich. Andernfalls hätte er mich umgebracht.
Das würde den Rat nicht beeindrucken; man würde sie nicht anhören. Ihr Leben wäre verwirkt: der Tod oder das Labyrinth. Der Hades, wo Irementis, Sibylla und zahllose andere sie erwarteten. Sie würden sie zerreißen, sie zerfetzen. Ileana schluckte und versuchte, Ruhe zu bewahren.
Solange man keine Leichen fand, würde niemand erfahren, was aus Hreesos und Niko geworden war. Weg mit den Leichen. Sie musste die Leichen loswerden. Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte in den von Fackeln erhellten Raum. Es war schlimmer, als sie geglaubt hatte.
Absolute Stille, alles voller Blut und überall im Raum Scherben und umgekippte Tische. Würde sie je Ordnung schaffen können? Vielleicht sollte sie einfach verschwinden und darauf hoffen, dass, wer auch immer die beiden schließlich fand, annahm, Phoebus habe Niko angegriffen und getötet? Es war die Wahrheit; niemand würde jemals erfahren, dass sie überhaupt hier gewesen war.
Ihr Blick fiel auf die blutverschmierte Tür, wo ihre zierlichen, blutroten Handabdrücke ein grelles Muster auf dem Holz bildeten.
Sie stieg über Hreesos’ Leichnam. Eine Lache hatte sich unter ihm gebildet und sie entdeckte, dass eine zweite Scherbe seine Kehle durchtrennt hatte. Ohne sich auch nur einen Gedanken zu erlauben, zerfetzte Ileana seinen Schurz, tränkte ihn mit Blut und übermalte ihre Handabdrücke auf dem Boden, dem Tisch und der Tür.
Unschlüssig kehrte sie zu Niko zurück.
Sein Leichnam war verschwunden.
Ileana holte Luft, um loszuschreien, doch eine metallisch schmeckende Hand ließ sie verstummen.
»Du hast Phoebus getötet, Hure.«
Sie wurde taub, schlaff; dann wurde sie von Angst gepackt und sie begann zu kämpfen. Niko hielt sich an ihr fest, fluchend ihre Tritte und Schläge erduldend. Als sie schließlich müde wurde, schlug sie die Augen auf.
»Ich habe dich verteidigt!«
»Du hast dich selbst schützen wollen«, widersprach er mit hasserfüllter Stimme. »Du wirst dafür sterben, dass du ihn umgebracht hast.«
»Er wollte dich umbringen!«, sagte sie. Sein Arm lag um ihre Taille, und so führte er sie rückwärts.
»Es war sein Recht. Er hat nicht begriffen. Jeder Stoß meines Leibes war ein Betrug. Ich hatte den Tod verdient.« Niko wandte den Kopf, um auf Phoebus zu sehen und dabei lockerte sich sein Griff. Ileana streckte den Arm aus und schnappte sich eine krumme Glasscherbe. Sie schwang sie zurück, zwischen ihre Taille und ihren Arm, um sie dann in seinen Bauch zu versenken.
Er fiel auf die Knie, beide Hände auf die Wunde gepresst. Ileana löste sich von ihm und packte eine Fackel, die in einem Metallständer an der Wand lehnte. Von der Seite her, außer Reichweite seiner ausgestreckten Hände, zog sie die Fackel über seinen Kopf.
Er fiel in sich zusammen wie ein Betrunkener und blieb ein für alle Mal still liegen.
Sie sah nur noch Rot, in den verschiedensten Schattierungen. Es gab inzwischen zu viel Blut, sie musste ihn unbedingt loswerden. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich auszuziehen, sondern sie einfach bestiegen wie eine Tempeltänzerin! Vorhin hatte sie das erregt, doch jetzt ärgerte sie das maßlos.
Ein leichter Gestank nach Abwasser zog durch diesen tief liegenden Bereich des Palastes, stark genug, dass Ileanas Magen sich zusammenzog. Niko war nicht tot; sein Blut war immer noch warm. Er war ein mächtiger Magier und perfekter Liebhaber gewesen. Sie brauchte ihn nicht umzubringen, sie musste ihn nur loswerden. Darum wanderte sie den Gang hinunter. Der Gestank wurde immer schlimmer; hier befanden sich ein paar ältere
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