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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Jetzt blieb ihm genug Zeit zu warten, bis seine Liebe erwidert wurde. Dion würde das Mittel ebenfalls nehmen.
    Wir sind Götter, dachte er. Nestor wusste es nur noch nicht.
    21. KAPITEL
    Chloe erwachte im Ascheregen. Die Asche verstopfte ihr Nase und Mund. Hustend richtete sie sich auf und lief dann in den noch unversehrten Palastflügel. Sie würde sich nicht wie Müll draußen abladen lassen! Sie musste zu Cheftu.
    Er hatte so still, so reglos dagelegen. Ihre Verbrennungen schmerzten, doch das war nichts verglichen mit den Qualen, die er bestimmt erleiden musste. Kümmerte sich Dion um ihn? Der Gedanke ließ sie abrupt stehen bleiben, doch gleich darauf drückte Chloe die Schultern durch und ging weiter. Wenn Cheftu sie satt hatte, musste er sie wegschicken. Seine Küsse waren nicht die eines Mannes gewesen, der den Geschmack an Frauen verloren hatte. In manchen Dingen war sie vielleicht Novizin, doch auf ihren Instinkt konnte sie sich verlassen, und sie kannte Cheftus Körper wie auch seine Begierden besser als ihre eigenen.
    Wenn er schwul war - sie sollte lieber von Homosexualität sprechen, wenn sie eine erneute Unterhaltung über Temperaturen vermeiden wollte -, würde er sich ein Herz fassen und ihr das ins Gesicht sagen müssen. Andernfalls gehörte er nach wie vor ihr! Verzupf dich, Dion, dachte sie, während sie durch die Gänge marschierte. Mimi hatte einst ihrer verrückten Tante Rina, nicht zu verwechseln mit deren verrückter Zwillingsschwester, Tante Lina, erklärt, dass eine Frau, die ihren Mann nicht halten konnte, nicht die Stärke in ihren Unterröcken wert sei.
    Die Unterröcke hatte Chloe längst abgelegt, aber in ihren
    Adern floss schließlich das Blut der Kingsleys.
    Falls Cheftu noch lebte, würde er nirgendwohin gehen.
    Bitte, lieber Gott, lass ihn am Leben.
    Überall regierte der Tod. Überall lagen Menschen mit allen nur vorstellbaren Wunden. Cheftu blinzelte und schlug die Augen auf - ein Auge. Das Öl hatte ihn auf dem anderen Auge blind gemacht, begriff er. Doch er war am Leben. Er atmete tief ein -die Luft schmeckte nach Feuer und verbranntem Fleisch. Er lag auf dem Bauch, einer Wand zugekehrt. Die Hände lagen wie taub unter seinem Leib, trotzdem drehte er den Kopf und drückte sich hoch.
    In einem Schwall kehrten Erkenntnis und Erinnerung zurück: der Vulkanausbruch, wie er Chloe beschützt hatte, wie er ge-schrien hatte, als das heiße Öl auf seinen Rücken, seinen Kopf, seine Hand herabgeregnet war.
    Neben ihm auf dem Boden lagen schwarze, unförmige Gestalten.
    Verbrennungsopfer.
    Ich bin ein Verbrennungsopfer, dachte er mit Blick auf seine Hand. Blasig und gebrochen mit zwei nicht zu gebrauchenden Fingern, und die andere Hand? Cheftu saß auf dem Bettrand und betrachtete seine Hände.
    Er hatte grässliche Verbrennungen, riesige Blasen zogen sich über seine Haut. Würde er je wieder als Arzt arbeiten können? Würde er es wagen, Chloe mit diesen Klauen zu berühren?
    Würde sie ihn überhaupt sehen wollen? Halb blind und verstümmelt? Mit bebenden Fingern betastete er seine Braue und spürte die Hautfetzen, die seinen Kopf zur Hälfte überzogen.
    Langsam stand er auf und trat von der Liege weg. Ihm tat alles weh, da sich die Blasen bei jeder Bewegung dehnten und spannten. Na gut, er war verletzt, aber er konnte gehen. Wo war Chloe?
    Auf einen Aufschrei hin drehte er sich um und sah einen
    Leibeigenen in Ohnmacht sinken. Nestor trat, verdreckt und abgerissen, das blonde Haar von Asche ergraut, auf Cheftu zu. »Beim Heiligen Stier Apis’«, hauchte er. »Du lebst?« Hinter Nestor stand mit großen grauen Augen Atenis.
    »Wieso denn nicht?«
    »Ich bin hier, um dich zu baden. Du warst nur noch eine einzige große Wunde, wir hatten kaum mehr Hoffnung.«
    »Eine große Wunde bin ich immer noch, mein Freund«, antwortete Cheftu. Seine Kehle tat ihm entsetzlich weh, doch sein Geist war klarer als seit vielen Monden.

Nestor umrundete ihn schweigend. Er hob ein Fläschchen vom Bett auf; nur noch ein paar Tropfen waren auf dem Grund verblieben. »Er hat es trotzdem getan«, flüsterte Nestor.
    »Was getan? Wer? Worüber seid ihr so entsetzt?«, erkundigte sich Atenis.
    »Erkennst du das Fläschchen wieder, Cheftu?«, fragte Nestor.
    Cheftu betrachtete das Fläschchen. Natürlich erkannte er es nicht wieder. Abrupt drehte er sich zu Nestor um.
    »Warte! Das ...?«
    »Sprich es aus, Cheftu.«
    »Er hat mir das Elixier gegeben?«
    Nestor drehte das Fläschchen um und beobachtete, wie

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