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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Eumelos’ fragenden Augen los und fragte ihn, wie er seinen Tag verbracht hatte.
    »Die Skolomantie war vielleicht langweilig! Ich wäre viel lieber mit dir zusammen! Und würde kämpfen lernen!«
    »Ein Mann aus der Sippe der Olympier muss geistig ebenso gewitzt und behände sein wie körperlich«, zitierte Phoebus die Worte, die er sooft gehört hatte. »Ein Konflikt bringt selten Nutzen. Es ist besser, Kompromisse zu schließen und Tribute zu fordern.«
    »Tribute, wie Kaphtor sie zahlt?«
    »Ganz recht, so wie Kaphtor.«
    Gemeinsam stiegen sie die geschwungene Treppe hinauf, dabei verbeugten sich beide kurz zu Ehren Kelas vor der Nische mit dem Hörner-Altar. Weil es Glück brachte, nahmen sie die zweischneidige Axt aus ihrer Halterung und drehten sie. Die Doppelklinge stand für die beiden Seiten Kelas, der Gebenden und Nehmenden, denn die Göttin war zweischneidig. Wenn einem das Glück nicht gewogen war, drehte man die Axt, um es hold zu stimmen. Und wenn einem das Glück gewogen war, drehte man die Axt ebenfalls, um auf diese Weise dem Pech zuvorzukommen und es zu verringern. Es war immer besser, man drehte die Axt selbst, als dass ein Feind es tat.
    Geometrische Muster in Rot, Gold und Schwarz krochen über Decke, Wände, Böden. Die bunten Bodenfliesen wurden von einer riesigen Feuerstelle in der Mitte jedes Raumes erwärmt und die ausladenden Dächer von roten Säulen gestützt, die sich zum Boden hin verjüngten. In diesem Raum, einem der tausend im Palast von Aztlantu, mischten sich die Adligen unter die Gemeinen, alle auf der Suche nach Sippen-Angehörigen in diesen letzten Tagen vor der Zeit des Stieres, dieser Zeit des Keimens und des Ratstreffens.
    Einen Moment lang wurde Phoebus von Angst gepackt. Nach diesem Ratstreffen würde er mit dem Apis-Stier tanzen. Wie er sich dabei hielt, würde darüber entscheiden, ob er würdig war, die Pyramide der Tage zu betreten und sich den Prüfungen des Aufsteigenden Goldenen zu stellen. Er schüttelte die Angst ab, denn Eumelos redete immer noch ohne Atempause auf ihn ein.
    »Niko!«, rief Phoebus.
    Der Mann mit den dunkelblauen Augen sah auf, abrupt aus seiner Welt der Worte und Formeln gerissen in den geschwätzigen Lärm des Palastes. Niko blinzelte zweimal, ehe sein Blick endlich klar wurde. Trotz seiner einzigartigen Intelligenz bereitete es ihm oft Schwierigkeiten, sich an die alltäglichsten Dinge zu erinnern - Essen, Frauen, Baden.
    »Ist die Übung schon vorbei?«, fragte sein Freund, wobei er sich mit der Hand über das zerzauste, rückenlange weißblonde Haar fuhr.
    »Ja. Die Sonne ist dreimal im Himmel höher gestiegen.« Phoebus senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ist Irmentis gekommen?«, fragte er und verachtete sich im selben Augenblick für seine Schwäche.
    Niko schüttelte den Kopf. »Ja. Ich habe mit ihr gesprochen, so wie du gewünscht hast.« Nervös suchte er seine Rollen zusammen. »Ich glaube, sie liebt dich, Phoebus. Doch ihre Liebe ist kein Eros.«
    Phoebus’ Wangen brannten, denn nun wusste sein bester Freund, dass die Frau, die er begehrte, ihn verschmähte. Wenn ihre Liebe doch wenigstens Pathos wäre, wenn sie ihn auf ehrgeizige Weise begehrte, als Mittel zum Ziel! Doch reine Agape, die pure Herzensliebe ... Phoebus stellte sich dem Blick seines Freundes. »Hat sie noch etwas gesagt?«
    »Nur dass sie Ileana verabscheut und sie nicht herausfordern will. Sie sucht eine andere Gerechtigkeit.«
    »Das Einzige, was dieser Skeela gerecht würde, wäre, ihr ein Messer ins Herz zu stoßen«, flüsterte Phoebus.
    »Verrat, mein Freund.« Niko erhob sich von der Steinbank mit der wellenförmigen Rückenlehne. »Irmentis hat außerdem um mehr von ihrem Getränk gebeten.« Die Missbilligung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Phoebus ging nicht weiter darauf ein.
    Niko wandte sich an den Jungen. »Nun, Eumelos, welche Weisheiten hat der Spiralenmeister euch heute zuteil werden lassen?«
    »Er hat gesagt, wir seien alle stumm und blind, und wir würden die Hand der Götter nicht einmal spüren, wenn sie uns den Hintern versohlen.«
    »Och, tatsächlich?« Nikos hob Eumelos auf seine Schultern. »Du musst mit Spiralenmeister sprechen«, meinte er mit einem ernsten Blick zu Phoebus hin. »Ich habe den Eindruck, er wird mit jedem Tag respektloser und verwirrter.«
    Phoebus schaute zu, wie Niko Eumelos’ drahtigen Körper hoch in die Luft hob und so tat, als würde er ihn quer durch den bunt bemalten Raum fliegen lassen. In jedem

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