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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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den toten Stier. »Wer arbeitet in der Kombüse?«
    »Ein Leibeigener aus Alayshiyu. Wieso?«
    »Wir werden auf dieser Reise ausgezeichnet speisen«, sagte er lächelnd.
    »Der heilige Stier soll von Seesoldaten verspeist werden?«
    »Wir dienen den Göttern ebenso wie jeder Priester, wenn nicht mehr«, protestierte Batus.
    »Unsere Leben sind den Launen der Olympier ausgeliefert. Wir haben es verdient, dieses heilige Fleisch zu essen.«
    »Meinetwegen«, stimmte Cynaris zu. »Aber wie schaffen wir es zum Koch?«
    Batus kniete nieder. »Zieh deine Klinge, wir müssen uns beeilen.«
    »Was ist mit den anderen Stieren?«
    »Denen macht das nichts aus. Sieh doch, sie stehen schweigend dabei und sehen zu.«
    Cynarus kniete nieder, das Messer in der Hand.
    »Sehen zu, wie wir die Götter lästern.«
    Der Nebel verzog sich allmählich, und Niko sah zwei Lichter flackern. Eines nach dem anderen flammte in einem eigenartigen Rhythmus auf. Ohne wirklich zu gehen, bewegte er sich langsam auf die Lichter zu.
    Ein leises, von den farbigen Blitzen ausgehendes Klicken wurde allmählich lauter. Er stand auf und blickte nach unten auf eine eigenartig geformte, zweiseitige Kiste. An beiden Enden mündeten die Seiten in einer Spitze. Der Deckel bestand aus zwei Teilen, die an der Längsseite in einem Winkel zusammengefügt waren.
    Seine Hände, weiß wie gebleichtes Leinen, berührten den Behälter, und verwundert spürte er die Glätte des Holzes. Das Klicken wurde lauter, die Farbblitze wurden greller.
    Er nahm den Deckel ab und sah hinein.
    Niko musste sich die Augen gegen den gleißenden Inhalt abschirmen.
    In dem Behälter lagen zwei Steine, die jeweils in den verschiedensten Farben pulsierten. Ein Stein blinkte in einem sich wiederholenden Spektrum, erst schwarz, dann tieflila, blutrot, hellrot, orange und gelb; die Farben waren atemberaubend und wirkten zugleich auf unerklärliche Weise so tragisch, dass Niko melancholisch wurde. Der andere Stein blinkte von Weiß ausgehend durch ein Spektrum von Blau- und Grüntönen, das so unbeschreiblich satt war, dass Niko die Tränen niederkämpfen musste.
    Als wären sie lebendig, hüpften beide Steine herum und schlugen dabei gegen die Wände der glatten Holzkiste. Der klare Rhythmus drang ihm bis durch die Knochen. Als Niko nach den Steinen fassen wollte, explodierten seine Hände in Flammen.
    In einem auserlesenen Feuer.
    Das Wohlgefühl brannte sich in seine Seele, und sein Geist war erfüllt von dem Lied, dem Ruf, dem Klicken der Steine. Das lauter und lauter wurde ...
    Er erwachte und sah einen Vogel gegen den Baumstamm hacken, genau neben seinem Ohr. Niko setzte sich auf, so durstig, dass ihm die Kehle schmerzte, und immer noch benommen von seinem Traum. Schließlich stand er auf, verärgert und verwirrt. Die Skolomantie hatte ihn gelehrt, dass in den Träumen oft verborgene Wahrheiten lagen.
    Natürlich konnten derartige Träume auch daher rühren, dass man halbrohe Tintenfische aß.
    Anders als am Vortag herrschte auf der Insel reges Leben. Vögel saßen in den Bäumen, kleine Nagetiere steckten die Köpfe aus ihren Löchern und schnupperten mit den Schnauzen. Der Wald schien zu erwachen. Niko fühlte sich beobachtet.
    Er aß alles Obst, dessen er habhaft werden konnte, in der
    Hoffnung, das saftige Fruchtfleisch würde ihm das Schlucken erleichtern, denn sein Mund war wie ausgedörrt. Dann schlief er erneut im Schutz der Bäume ein.
    Als er das nächste Mal erwachte, musste er sich übergeben. Sein Kopf tat ihm weh, und als er eine Hand an den Hinterkopf legte, entdeckte er eine riesige, verschorfte Wunde auf seinem Skalp, die seine Haare mit Blut verklebt hatte. Er hatte sich am Kopf verletzt? Kein Wunder, dass er so orientierungslos und schläfrig gewesen war. Er brauchte Wasser. Mit dröhnendem Schädel richtete er sich auf und marschierte los. Tote Nadeln und Pflanzen bildeten einen nachgiebigen Teppich unter seinen zerschundenen Füßen, die Niko mit aller Konzentration abwechselnd voreinander setzte.
    Einige Zeit darauf änderte sich der Boden; kleine Kiesel waren in komplizierten Mustern zu Tieren und Ranken ausgelegt. Niko sah überrascht auf. In der Mitte der Lichtung befand sich eine Anhäufung von Steinen, die eine Art Tisch bildete. Darüber erhob sich ein Bogen, der fünfzehn, vielleicht achtzehn Ellen hoch aufragte. Niko ging darauf zu.
    Die Tischplatte bestand aus einer Obsidiantafel und ruhte auf zwei Steinhaufen aus glatten Flusskieseln mit einem Durchmesser,

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