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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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glänzte an seinem ganzen Leib. Wo war er?
    Der Durst, der sich von Zeit zu Zeit bemerkbar gemacht hatte, meldete sich nun endgültig zu Wort, und er merkte, dass er kaum mehr schlucken konnte. Er versuchte, Ruhe zu bewahren, doch Niko war ein Mann der Zivilisation. Wasser bekam man einfach, indem man es aus den Lehmleitungen schöpfte, die wie ein Netz die Mauern des Palastes durchzogen. Er war ein kultivierter Mann. Er sprach sämtliche bekannten Sprachen. Die Formeln der größten Errungenschaften Aztlans waren in seinem Gehirn gespeichert. Wie alle am Hofe konnte er tanzen, er konnte reiten und segeln.
    Doch in der Wildnis dieser Insel war er blind und stumm, unwissend wie ein Kind und verletzlich wie ein frisch geschlüpfter Vogel. Mit wachsender Verzweiflung und voller Angst vor der hereinbrechenden Dunkelheit hielt er eilig nach einem möglichen Versteck Ausschau. Der Wind begann, in den Bäumen zu rauschen, und ließ winzige Nadeln auf seine nackte Haut regnen.
    Bibbernd kauerte er sich unter die breiten unteren Äste einer
    Kiefer. Hatte er so vieles überlebt, nur am Ende hier zu sterben? Würde sein Gerippe eines fernen Tages mit den Wurzeln dieses Baumes verschmelzen?
    Würden sich all seine Hoffnungen in Luft auflösen? Er dachte an all die Menschen, die er vermissen würde: Phoebus, Spiralenmeister, seine Studenten, seinen Maeemu. Er würde niemals erfahren, ob Dion sein Flugsegel zur Vollendung gebracht hatte; ob Irmentis’ und Phoebus’ gegenseitige Liebe schließlich Erfüllung fand; er würde Phoebus’ Zeremonie des Werdenden Goldenen verpassen.
    Er würde sein Wort gegenüber dem Menschen brechen, der ihm am liebsten war. »Ich wollte doch nur die Steine«, flehte er flüsternd. »Ich wollte nur einmal die Möglichkeit, mit dem ersten Gott dieses Landes zu sprechen. Vielleicht hätte ich ihn um Verzeihung gebeten, weil wir ihn vergessen haben? Mich an ihn gewandt und ihn gebeten, Aztlan zu heilen?«
    Was war daran falsch?
    Als die Dunkelheit die Bäume in bösartige, wogende Schatten verzauberte, schlief Niko mit blutigen Füßen, geschwollener Kehle und roten Augen endlich ein.
    AUF SEE
    Das Rumoren der Stiere ließ das Deck erbeben. Seesoldat Ba-tus eilte zur Luke, ehe der Kapitän den Befehl dazu geben konnte; ihm war nicht nach einer Tracht Peitschenhiebe zumute. Sobald sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, duckte er sich unter dem Träger hindurch, der längs durch das Schiff verlief.
    Die Stiere waren unglücklich. Sie gaben eigenartige Geräusche von sich. Von den vierzig, die sie in Avaris an Bord genommen hatten, standen nur noch wenige auf den Beinen.
    Der Seesoldat Cynaris zischte ihm aus der Dunkelheit zu.
    Batus kniete nieder. »Was tust du da?«
    »Einer der Stiere ist tot.«
    »Bei den Göttern, sag, dass es nicht wahr ist!«, rief er aus und hob sich zwischen den heißen Tierleibern hindurch. Der Stier lag leblos auf der Seite. Um ihn herum lagen noch andere, doch alle hauchten ihren heißen, fauligen Atem in die fast vollkommene Dunkelheit. »Was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Cynaris. Er fuhr mit der Hand über die reglose Flanke des Tieres. Es roch nicht. Es schien nur auszuruhen.
    »Ist er tot?« Batus kniete neben dem Tier nieder.
    »Er hat gebrüllt. Ich wollte ihn streicheln, da bricht das verfluchte Vieh vor meinen Augen zusammen und stirbt.«
    Ein Omen des Apis-Gottes? Was hatte das zu bedeuten? »Wir müssen es dem Kapitän melden.«
    »Wie viele Stiere waren es insgesamt?«
    »Einhundertzwanzig.«
    »Wer weiß außer dir, mir und dem ägyptischen Priester, wie viele es waren?«
    »Vielleicht noch dieser Ägypter, den wir an Bord haben!« Batus schwieg einen Moment. »Du willst doch nicht den Hohenpriester belügen? Den Minos?«
    »Iii, also ...« Cynaris schwieg einen Moment. »Nein, ich werde ihn nicht belügen, denn er wird uns keine Fragen stellen.«
    »Wir sollten es beichten.«
    »Dann gibt man am Ende uns die Schuld.«
    »Woran? Daran, dass die ägyptischen Stiere krank sind?«
    »Es sind Apis-Stiere«, korrigierte Cynaris. »Das Zeichen der umgedrehten Pyramide macht sie zu mehr als einfachen Rindern. Sollen wir es wagen, die Götter derart zu beleidigen?«
    Batus schnaubte. »Entweder wir beleidigen die Götter, oder wir werden bestraft. Die Aussichten sind auf jeden Fall trübe.«
    Cynaris hörte auf, das Tier zu tätscheln, und stand auf.
    »Und was machen wir mit dem Kadaver?«
    Innerlich zwiegespalten, blickte Batus auf

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