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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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hin und her schlidderte. Blitze zuckten, Asche fiel auf ihn, auf sein Gesicht, in seine Augen.
    Stöhnend krümmte Niko sich zusammen, während sein herumrutschender Leib immer neue Schläge einstecken musste. Der Wind war lebendig geworden, und Niko bettelte ihn um Gnade an.
    Dann wurde das Meer ruhiger. Benommen setzte Niko sich auf. Das Wasser war wieder friedlich. Die Insel lag jetzt in seinem Rücken und spiegelte ihr unirdisches Glühen auf dem Meer. Verzweifelt begann Niko zu rudern und sein Boot so schnell er konnte in tieferes Wasser zu lenken.
    Es begann als tiefes Gollen, als Vibration, die durch sein Rückgrat nach oben lief und das Ruder zum Zittern brachte. Er ruderte weiter, bis er aufschrie, weil ihm das Ruder aus den Händen gerissen wurde. Sich mit beiden Armen einstemmend, klammerte er sich an der Bootsreling fest, während das Ruder, an dem er nach wie vor festgebunden war, auf den Wassern tanzte. Nur noch ein Augenzwinkern, dann würde es ihn hinabziehen, das war ihm klar. Plötzlich hörte Niko ein tiefes Saugen und drehte sich, durchnässt bis auf die Haut, um. Die Kraft der Wellen ließ das Boot hochschnellen, aber zugleich auf demselben Fleck verharren, während das Meer unter ihm tobte und durch die trübe Nacht jagte, um sich an der Küste des flammenden Berges zu brechen.

Er zog das Ruder wieder heraus und begann, mit letzter Kraft zu paddeln. Was oder wer ihn auch immer gerettet hatte, er flehte es an, ihn noch etwas länger zu retten.
    Nur noch ein wenig länger ... Die Welle schlug über ihm zusammen und fegte ihn vom Boot. Niko spürte, wie seine Taille fast unerträglich zusammengeschnürt wurde, so zog ihn das leichte Ruder davon. Ein Schlag auf seinen Kopf ...
    Niko schlug die Augen auf. Sein Blickfeld war verklebt mit
    Dreck, den er kraftlos wegzublinzeln versuchte. Seine Wange fühlte sich aufgeschürft an. Er sah sich um: Die östliche Hälfte der Welt war tiefschwarz, der Westen bestand bis zum Himmel aus heranrollenden Wogen.
    Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er auf einem Strand lag und die Wellen ihm deshalb vertikal erschienen. Mit verzogenem Gesicht setzte er sich auf, worauf die kalte Luft die eine Seite seines Körpers, die vom schwarzen Bimsstein gewärmt worden war, schlagartig abkühlte.
    Wo war er? Zitternd stand er auf - und bemerkte die Schnitte und Aufschürfungen überall an seinem Körper. Dennoch war er am Leben. Er suchte das Ufer nach seinem Boot, seiner Karte, nach Essen oder Kleidung ab. Der Strand war leer.
    Die Flut kam herein und ließ das Wasser allmählich von seinen Fußgelenken bis über seine Knie steigen. Der raue Fels schnitt seine zarten Füße auf, trotzdem musste er weg.
    Offenbar war er an eine kleine, dicht mit Bäumen und Gehölz bewachsene Insel gespült worden. Wie weit war er vom Kurs abgetrieben? Der Vulkan war auf Delos ausgebrochen, das stand fest. Warum und wie - das wusste er nicht. Hatten die Einwohner noch Vögel nach Kallistae absenden können? Hatte die Sippe auf Paros Hilfe geschickt? Oder jene auf Tinos? Immer noch hing grauer Rauch wie Nebel am Himmel und tauchte den Tag in falsches Dämmerlicht.
    Niko machte sich auf den Weg, wobei er nach Menschen oder Tieren lauschte. Die Stille war unheilschwanger, kein Vogel zwitscherte, kein Maeemu schnatterte. Und es wehte kein Wind. Er schlug sich in die Bäume und stieß auf etwas, das wie ein überwucherter Pfad aussah.
    Kiefern wuchsen neben Bougainvillea, denen der Winterfrost noch nicht den Garaus gemacht hatte. Büschel von Basilikum erhoben sich brusthoch. Wilde Rosen wucherten und tüpfelten den schwarzen Boden mit gelben, roten, rosa und pfirsichfar-benen Blütenblättern.
    Wo war er hier? Über der gesamten Insel lag, schwer wie der Rauch in den Wipfeln, ein Gefühl von Ehrfurcht.
    Niko ging weiter, auch wenn sein Atem schneller wurde. Der Pfad schlängelte und wand sich bergauf, von Weinreben, Feigenbäumen und Granatapfelbüschen überwuchert und bedeckt von Oregano und Thymian, Ysop und Rosmarin.
    Zumindest würde er nicht verhungern.
    Stundenlang wanderte er umher und hatte dennoch das Gefühl, nirgendwohin zu kommen. Allmählich wurde Niko müde. Seine Beine schmerzten von der ungewohnten Anstrengung. Es wurde noch dunkler, darum aß er die Trauben, die er unterwegs gepflückt hatte.
    Kiefernnadeln stachen in Nikos nackte Sohlen, als er erst die eine Richtung einschlug, dann innehielt, kehrtmachte und in die entgegengesetzte weiterlief. Kalter Schweiß

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