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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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schlüpfte mit den Händen hinein und stieß einen leisen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Besser?«, fragte Lydia.
    »Viel besser.«
    »Gut. Dann sage ich jetzt Gute Nacht.« Lydia ging in Richtung Tür. » Do swidanija . Auf Wiedersehen und … danke.« Sie hatte bereits die Tür geöffnet, als die Frau leise fragte: »Wie heißt du?«
    »Lydia. Und du, Genossin?«
    »Antonina.«
    »Geh wieder schlafen.«
    Die Frau schüttelte ganz langsam den Kopf. » Njet , ich habe keine Zeit zum Schlafen. Weißt du …« Einen unbeholfenen Moment lang schienen ihr die Worte zu fehlen, dann murmelte sie: »Ich bin die Frau des Lagerkommandanten, also …« Wieder versiegten ihr die Worte. Mit einem unsicheren Stirnrunzeln starrte sie auf die blütenweißen Handschuhe.
    Lydia flüsterte in die Stille hinein: »Das Lager? Meinst du das Gefangenenlager Trowitsk?«
    »Da.«
    Lydia erschauderte. Sie konnte nicht anders. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Waschraum. Doch kaum war sie draußen, hörte sie erneut das Wasser laufen.

ZWEI

    B is zum Abend geschah nichts, was ihre Lage irgendwie geändert hätte. Das gleiche labyrinthische Hotel, die gleichen Leute, die über die Kälte klagten, obwohl sie sich alle lieber über das Fehlen eines verlässlichen Eisenbahnsystems beschwert hätten. Die alle auf den gleichen Zug warteten, der niemals kam. Lydia taten die Füße weh, nachdem sie den ganzen Tag auf dem eiskalten Bahnsteig gewartet hatte, doch das verdrängte sie jetzt. Zeit, sich zu konzentrieren.
    Die Hotelbar stank. Sie stank wie ein Kamelstall, weil heute zum Beheizen frischer Dung geliefert worden war. Hier herrschte heilloses Durcheinander, ein Tohuwabohu von Menschen mit wodkaverhangenen Augen und gierigem Blick. Lydia holte tief Luft und ließ ihre Augen langsam über die Menge schweifen. Die Gier pulsierte im Raum wie ein Herzschlag, der von einem Menschen zum nächsten weitergegeben wurde, der durch die Münder und Nasenflügel in sie eindrang und bis in die leeren Bäuche und die verkrusteten Lungen hinabsank. Für Lydia kam es darauf an, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Auf die Sekunde genau. Sonst würde Liew Popkows Arm brechen.
    Geldscheine wechselten die Besitzer. Männer riefen sich durch den Raum etwas zu, Zigarettenrauch kräuselte sich in der Luft. In einer Ecke warf sich ein vergessener Hund wieder und wieder in seine viel zu kurze Kette und bellte sich dabei heiser. Sein Brustkorb, an dem jede Rippe einzeln zu sehen war, bebte vor Erregung.
    Alle Augen richteten sich auf den Wettkampf, der an dem Tisch in der Mitte stattfand. Stühle waren achtlos beiseitegerückt worden. Jeder versuchte, einen guten Platz zu ergattern, um alles genau verfolgen zu können – den Schweiß auf der Stirn der Kontrahenten, die Adern, die ihnen wie Schlangen unter der Haut anschwollen. Zwei Männer saßen sich am Tisch gegenüber. Große Männer. Männer, die so aussahen, als könnten sie, nur so zum Spaß, einem Frettchen den Kopf abbeißen. Ihre mit wilden Bärten überwucherten Gesichter waren vor Anstrengung verzerrt, und bei einem war die speckig glänzende Augenklappe verrutscht und gab den Blick auf eine verkniffene Augenhöhle frei, die die Farbe überreifer Pflaumen hatte. Die massigen Unterarme der beiden Männer waren im Kampf verschlungen.
    Das Armdrücken war Liew Popkows Idee gewesen. Zuerst hatte sich Lydia gegen den Gedanken gewehrt, doch zugleich hatte er auf seltsam heimtückische Weise Besitz von ihr ergriffen. Jetzt liebte sie ihn. Hass. Liebe. Sie zuckte mit den Achseln. Nur Haaresbreite lag dazwischen.
    »Auf so eine Schnapsidee kann doch wohl nur ein Kosak kommen!«, hatte sie erwidert. Die Idee hatte Liew gehabt, nachdem er sich einen halben Krug Fusel durch die Kehle hatte rinnen lassen.
    »Njet.«
    »Und was, wenn du verlierst? Wir brauchen jeden Rubel, der uns noch geblieben ist.«
    »Ha!« Popkow schüttelte seinen zotteligen Bärenkopf. »Schau mal, kleine Lydia.« Er krempelte den Ärmel seines schmuddeligen Hemdes hoch, nahm ihre Hand in seine Pranke und legte ihre Finger auf seinen dicken Bizeps. Der Muskel fühlte sich irgendwie nicht menschlich an, als wäre es kein Körperteil, sondern ein Holzscheit, das im Kamin Wärme angenommen hatte. Einmal hatte sie gesehen, wie Liew damit einem Mann das Gesicht eingeschlagen hatte.
    »Popkow«, wisperte sie. »Du bist ein Teufel.«
    »Ich weiß.« Seine weißen Zähne blitzten über dem schwarzen Bart, und sie hatten einander zugelacht.
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