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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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geschnitzt, auf die schlappe Wampe unter ihrem Nachthemd und das zerzauste Haar, das früher vielleicht einmal leuchtend braun gewesen sein mochte, mittlerweile jedoch die Farbe verrotteter Heuballen angenommen hatte. Es kostete ihn einige Überwindung, nicht wieder auf ihre Brüste zu starren.
    Er neigte förmlich den Kopf. »Bitte um Entschuldigung.«
    »Steck dir deine Entschuldigung in den Arsch, Genosse«, gab sie barsch zurück. »Und lasst mich endlich in Frieden schlafen.«
    Alexej schaute zu Popkow hinüber und wäre fast in Lachen ausgebrochen. Da stand dieser große, bärtige Ochse und glotzte mit offen stehendem Mund, das eine gesunde Auge ohne die geringste Verlegenheit auf die blassen Halbmonde gerichtet, die da vorne zur Schau gestellt wurden. Ein leises Keuchen entrang sich seiner Kehle.
    Doch mit der Frau war nicht zu spaßen. Ihre dunklen Augenbrauen wanderten spöttisch nach oben, sie machte einen Satz nach vorne und stach dem Kosaken mit dem Finger in den Bauch, nicht einmal, sondern dreimal. Popkow trat sogleich den Rückzug an und wich zur gegenüberliegenden Wand zurück, als hätte jemand die Mündung eines Gewehrs auf ihn gerichtet. Alexej nutzte die Gelegenheit und ging ohne ein Wort in die andere Richtung des Flurs davon. Er brauchte jetzt seine Ruhe. Wenigstens ein bisschen. Er musste nachdenken. Barmherziger Gott, dachte er, bewahre mich vor dem Wahnsinn dieser primitiven Bauern.

DREI

    A t me, mein Liebling, atme.«
    Es war Chang An Los Stimme, und sie hallte so kraftvoll und klar durch Lydias Kopf wie die Tempelglocke von Tschangschu.
    »Schnapp nicht nach der Luft, so wie ein Hund nach einem Stück Brot schnappt. Du musst lernen, mit genau der gleichen Konzentration zu atmen, mit der du laufen gelernt hast.«
    Sie lächelte, dort allein in ihrem Zimmer, ließ die Münzen auf dem Bett zurück und stand auf, um den Rücken durchzustrecken und ihren Brustkorb zu öffnen. Sie holte ganz langsam Luft, wie ein Fischer, der gemächlich sein Netz einholt. So hatte er es ihr beigebracht, ganz tief und weich, und ihre Haut prickelte von all dem Sauerstoff, der durch ihre Adern strömte und ihr Kraft einflößte.
    »Allein der Gedanke an dich, Chang An Lo, erweckt mich zu neuem Leben.«
    Sie hatte nicht geahnt, wie es sein würde. Wie schlimm. Von ihm getrennt zu sein, nicht zu wissen, wo er war oder ob er überhaupt noch lebte. Nichts von ihm zu hören, auch nicht die kleinste Nachricht. Fünf Monate und elf Tage war das jetzt schon so. Dieser Schmerz. Sie hatte gewusst, dass es schlimm sein würde, aber nicht so … unerträglich. Dass sie vergessen würde zu denken, zu atmen, zu sein. Wie konnte sie denn immer noch Lydia Iwanowa sein, wenn all das Gute an ihr in China geblieben war, dort bei ihm?
    Chang hatte ihr das Leben gerettet. Geschehen war das in dem malerischen alten Städtchen Tschangschu in der weiten Ebene Nordchinas. In einer Gasse, in der sie in Bedrängnis geraten war, weil ein alter Mann, der ihr Handgelenk umklammerte wie ein Schraubstock, und eine geschminkte Frau versucht hatten, sie zu entführen, war Chang durch die Luft geflogen gekommen wie ein schwarzhaariger Drache. Und danach hatte sie ihm gehört, ihm allein. So einfach war das. Und trotz all dem Zorn und der Tränen, die man in ihrer Umgebung vergossen hatte, um sie auseinanderzubringen, hatten sie sich ineinander verliebt. Doch jetzt war er weit, weit weg von ihr, und der Gedanke an die Gefahren, in denen er schwebte, war für sie unerträglich.
    O mein Geliebter, pass auf dich auf. Pass gut auf dich auf. Tu es für mich.
    Er kämpfte in Maos aufständischer Roter Armee in China, und ab und zu, wenn sie in den finsteren Stunden vor Morgengrauen wachlag, grübelte sie, ob sie nicht besser dort an seiner Seite aufgehoben wäre. Statt sich quer durch Russland zu schleppen und nach einem Vater zu suchen, den sie seit ihrem fünften Lebensjahr nicht mehr gesehen hatte. Doch sie und Chang hatten eine Vereinbarung getroffen. Es war nicht möglich. Sie würde ebenso eine Gefahr für ihn darstellen wie eine der Kugeln aus den Gewehren Tschiang Kai-scheks. Wäre sie bei ihm in China geblieben, wäre sie seine verwundbare Stelle gewesen, seine Achillesferse, sie hätte ihn abgelenkt und wäre der Punkt gewesen, an dem seine Feinde Druck auf ihn ausüben konnten.
    Nein, mein Geliebter; auch wenn es so war, als hätte ich das Blut aus meinen eigenen Adern rinnen sehen, musste ich dich gehen lassen.
    Ihre Finger streiften den

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