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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Krankheit Franzosen-Holz genannt wird?«
    »Ja, genau.«
    »Würden Sie es mir
zeigen? Vielleicht kann ich ja helfen. Seine Krankheit ist eine sehr schlimme
Sache.«
    Erstaunt lag Zipfners
Blick auf ihr. »Ich weiß. Umso schöner wäre es, wenn Sie wirklich wüssten …« Er
verstummte und schüttelte den Kopf. »Dieser dumme Kerl!«
    »Seien Sie nicht zu hart
mit ihm. Wir machen ja alle Fehler.« Bernina lächelte, aber mit ernstem
Ausdruck. »Seiner jedoch könnte irgendwann tödlich enden.«
    »Ach, das ist mir mehr
als bewusst. Ich kann schon längst nicht mehr schlafen wegen meines Jungen.«
    »Kann ich Ihnen sonst
noch irgendwie helfen? Vielleicht bei den Vorbereitungen für die Hochzeit, die
Wilfried erwähnt hat?«
    »Überaus freundlich von
Ihnen, Frau …?«
    »Nennen Sie mich einfach
Bernina.«
    Anselmo, der die ganze
Zeit kein Wort gesagt hatte, erhob sich und hielt Zipfner die Hand hin. »Und
ich bin Anselmo.«
    Die Männer schüttelten
einander die Hände.
    »Wirklich: Ich helfe
gern!«, nahm Bernina den Faden wieder auf.
    »Ach, wir haben schon
genug fleißige Bienen, die sich in der Küche nützlich machen und das Haus
schmücken. Denn von dem Sturm lassen wir uns nicht aufhalten. Morgen wird
geheiratet. Ich hole den Pfarrer aus Gundelfingen mit meinem Wagen ab – und
dann geht’s los! Mein Ältester muss dran glauben!« Er lachte auf, und Bernina
und Anselmo lachten mit.
    »Auf jeden Fall«, setzte
der Bauer hinzu, »werdet ihr beide mitfeiern! Ihr seid gute Leute, das sehe
ich. Und in diesen üblen Zeiten müssen wir feiern, wenn sich schon mal die
Gelegenheit ergibt.«
    »Das
ist überaus großzügig von Ihnen«, erwiderte Bernina, »doch das können wir
gewiss nicht annehmen.« Ihr war klar, wie kostspielig eine solche Feier für den
Bauern war.
    »Nichts da, ihr seid
dabei. Das wird ein großartiger Tag. Wir haben sogar einen Narren zur
Unterhaltung auftreiben können. Irgendwann später, lange nach der
Trauzeremonie, damit unser Pfarrer nicht böse wird. Komischer Kauz, übrigens.«
Rasch verbesserte sich Johann Zipfner: »Also, nicht der Pfarrer wohlgemerkt.
Dieser Narr. Sein Lohn spricht allerdings für sich: Er darf einfach mitessen,
und das war’s an Bezahlung.« Er winkte kurz ab. »Na ja, mal abwarten, ob er es
überhaupt bis hierher schafft. Keine Ahnung, wo er haust. Vielleicht weht ihn
das Unwetter in eine ganz andere Richtung.«
    Bei diesem Stichwort
hatte Bernina sofort einen Einfall. »Jetzt weiß ich, wie Anselmo und ich Sie
bei Ihrer Feier unterstützen können, Herr Zipfner.«
    Sowohl der Bauer als
auch Anselmo sahen sie überrascht an.
    »Erlauben Sie es doch
einfach uns beiden«, meinte Bernina, »morgen für die Unterhaltung zu sorgen.
Falls der Narr nicht auftaucht.«
    »Und dazu seid ihr zwei
imstande?«
    Bernina blickte zu
Anselmo, der sie anstrahlte.
    »Eine wunderbare Idee«,
sagte er. Und dann an Zipfner gewandt: »Sie werden zufrieden mit uns sein.
Versprochen!«
    »Gut, also nehme ich
euch beim Wort.«
    Gleich
darauf begleitete Bernina den Hofbesitzer ins Haupthaus, wo sie von seiner Frau
und einigen Gästen herzlich begrüßt wurde. In einer Kammer präsentierte Zipfner
das Holz. »Ursprünglich stammt es«, erklärte er, »irgendwo aus einer Neuen
Welt. So sagte man es mir zumindest.«
    Ganz kurz dachte Bernina
an die Palmen vor einem schönen Anwesen in den Weiten Spaniens. »Ich habe schon
davon gehört, es aber noch nie mit meinen eigenen Augen gesehen.«
    Es
waren mehrere Stücke – schwer und fest, von schwarzer Farbe und einem
eigenartigen, nicht unangenehmen Geruch. »Leider scheint es schon recht trocken
zu sein. Dabei wäre gerade das Harz sehr wichtig für uns.« In Gedanken hörte
sie die Stimme ihrer Mutter. Was hatte die Krähenfrau immer gesagt? »Man
braucht die Späne dieses Holzes.«
    »Keine Sorge, das kriege
ich schon klein.«
    »Die Späne und am besten
noch einen Rest Harz. Das Ganze muss man mit Wasser übergießen, viel Wasser,
fünf oder sechs Maß. Ja, ich erinnere mich.«
    Und sie schritten zur
Tat. Nachdem Zipfner mit dem Holz so verfahren war, wie Bernina es wollte,
übergoss sie selbst die breiartige Masse aus groben Spänen mit Wasser. Dann
wurde alles zum Sieden gebracht, anschließend im Schnee erkaltet und durch ein
Tuch gepresst. Zurück in der Kammer wurde Bernina bereits von Wilfried
erwartet. Sogleich begann sie, mit dem vom Tuch abgeschöpften Schaum die
Hautflecken und Ausschläge zu bestreichen, die nahezu seinen gesamten

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