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Die Sehnsucht der Krähentochter

Die Sehnsucht der Krähentochter

Titel: Die Sehnsucht der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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unsere Gegend kommen, desto unwohler wird mir. Wahrscheinlich
wäre es das Beste, vorerst niemandem zu begegnen.«
    »Ja, vor allem wenn man
die Umstände bedenkt, unter denen ich damals verschwinden musste. Bestimmt hat
Egidius Blum dafür gesorgt, dass ich als Hexe in Erinnerung bleibe, die mit
Krähen spricht und Böses im Sinne hat.«
    »Wer immer das dort vorn
sein mag: Jetzt ist es nicht mehr möglich, ihm auszuweichen.«
    Anselmo hatte recht. Es
war zu spät – der Schnee zu tief, die beiden Zugpferde mit dem Wagen nicht
wendig genug, um schnell in die Wälder abzutauchen.
    Der dunkle bewegliche
Fleck näherte sich ihnen. Sie starrten ihm entgegen, sich der Anspannung
bewusst, die sie erfasste.
    Die Konturen gewannen an
Schärfe, aus dem Fleck wurde ein Mann, der zu Fuß ein breites, schwerfälliges
Pferd an den Zügeln neben sich herzog. Schon viele Meter vor dem Wagen hielt er
inne, um die Neuankömmlinge mit offensichtlicher Neugier zu betrachten.
    »Gott zum Gruße«, rief
er aus. Der Gaul, der ihm gehörte, schleifte an einem Strick ein großes Bündel
geschlagenes und zusammengebundenes Holz hinter sich her.
    Trotz der Entfernung und
den dicken Stoffen, die den Mann vermummten, konnte Bernina die kranken Stellen
auf seinen Wangen sehen. Anselmo ließ die Pferde noch einige Schritte
zurücklegen, dann brachte er sie zum Stehen.
    »Wer seid ihr?« Der
Fremde hatte eine helle Stimme. Er war jung, mit Sicherheit keine 20 Jahre alt.
    Anselmo nickte ihm
zurückhaltend zu und deutete auf das Bündel hinter dem Gaul. »Das ist aber eine
mühsame Art, für Feuerholz zu sorgen.«
    Der junge Mann lachte
kurz auf. »Das stimmt, aber auf dem Hof ist so viel los. Ihr seid zwar
anscheinend nicht aus der Gegend, aber habt vielleicht trotzdem von der
Hochzeit gehört. Die Vorbereitungen und all das. Unser Wagen wird gebraucht.
Und außerdem ist meine Familie wohl ganz froh, wenn ich eine Weile nicht zu
sehen bin. Na ja, wegen der Gäste.« Verschämt blickte er zu Boden. »Alle
wissen, dass ich mir was eingefangen habe.«
    »Wer heiratet?«, meldete
sich Bernina zu Wort, um die entstandene, etwas peinliche Stille zu
durchbrechen.
    »Mein großer Bruder. Der
Gute platzt bald vor Stolz.« Nun wieder das Auflachen. »Aber sagt mir doch, wer
ihr seid. Ich habe euch noch nie gesehen.«
    »Wir sind
Durchreisende«, erwiderte Anselmo.
    »Keine schöne Zeit für
Reisen. Ein Sturm zieht auf. Ein mächtiger Sturm, wie es aussieht.«
    »Wir werden schon
durchkommen.«
    »Besser, ihr begleitet
mich auf unseren Hof. Wie gesagt, da ist zwar viel los, aber ein Dach über dem
Kopf können wir euch in jedem Fall bieten.«
    »Vielen Dank für den
Vorschlag.« Anselmo wechselte einen abwägenden Blick mit Bernina.
    »Übrigens, wohin soll
eure Reise denn gehen?«
    Erneut ein zögernder
Blick. Dann war es Bernina, die antwortete: »Nach Teichdorf.«
    Ein kurzes, aber
deutlich wahrnehmbares Erschrecken in den Augen des Fremden. »Teichdorf?« Er
sah weg und wieder zu ihnen. »So, so. Mhm.«
    »Nun ja«, fuhr Bernina
fort, »zunächst einmal liegt Gundelfingen auf unserer Strecke. Es ist ja nicht
mehr allzu weit bis dorthin.«
    »Zu weit allerdings,
wenn ich an den Sturm denke.« Der Fremde deutete zum Himmel, wo die Wolken sich
immer stärker verhakten.
    »Aber auf dem Hof – da
würden wir doch bloß im Wege sein und stören. Gerade jetzt, wo ein Fest
ansteht.« Bernina schüttelte den Kopf.
    »Aber nicht im
Geringsten. Kommt ruhig mit mir. Mein Vater wäre nicht gerade begeistert von
mir, wenn ich zwei Reisende bei einem solchen Wetter ihrem Schicksal überlassen
würde.«
    »Was ist das für ein
Hof?«, fragte Bernina.
    »Der Zipfner-Hof. Wir
sind die Familie Zipfner.« Die Andeutung einer höflichen Verbeugung. »Ich bin
Wilfried.«
    »Wir
sind Anselmo und Bernina«, sagte Bernina mit einem Lächeln. Dieser gutherzige
Junge erinnerte sie in seiner Unbedarftheit ein wenig an Irmtraud.
    In
diesem Moment das erste Brüllen des Sturms. Urplötzlich prasselte eine Mischung
aus Hagel und eisigem Schnee auf sie herab. Wind kam auf, eine fauchende Welle
aus Kälte.
    »Gundelfingen
ist wirklich zu weit«, wiederholte Wilfried Zipfner. »Kommt mit zum Hof. Das
ist auf jeden Fall das Beste.«
    Anselmo
und Bernina verständigten sich mit einem raschen Nicken. »Binde dein Pferd
hinten am Wagen fest«, sagte Anselmo. »Und dann hoch mit dir auf den Bock.«
    »Und herzlichen Dank für
die Einladung«, fügte Bernina hinzu.
    Der Zipfner-Hof

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