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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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Wort an sie zu richten, verschwand er in der Nacht, als wäre er nie da gewesen. Nur die Stelle an ihrem Kinn, die noch immer wie Feuer zu brennen schien, bewies, dass er tatsächlich da gewesen war.
    Marguerite fuhr herum, doch sie konnte ihn nirgendwo mehr entdecken. Sie war völlig allein in dem kalten Garten.
    „ Abruti “, murmelte sie. Sie fühlte sich völlig erschöpft, gerade so, als besäße sie keine Knochen mehr. Sie hätte sich gerne auf den Pfad fallen lassen, ihren ganzen Zorn herausgeschluchzt und dabei die Fäuste auf den spitzen Kies geschlagen, bis sie bluteten!
    Doch es blieb ihr keine Zeit, um solchen kindischen und nutzlosen Wutanfällen nachzugeben. Weibische Tränen würden ihr nicht zu der Rache verhelfen, nach der sie verlangte. Sie würden sie nie ans Ziel bringen. Also hob sie den Dolch vom Boden auf, eilte zum Palast zurück und lief die Stufen zu ihrer ruhigen kleinen Kammer hinauf.
    Bald, sehr bald schon würde ein neuer Tag anbrechen. Eine neue Gelegenheit, um den Russen endlich zu besiegen und sich ihren Smaragddolch zurückzuholen.
    Und dieses Mal würde sie keinen Fehler machen.
    Nikolai zog die Tür zu seinem Gemach hinter sich zu und schob eine schwere Kleidertruhe davor. Er war vorsichtig genug, die „Smaragdlilie“ beim Wort zu nehmen. Früher oder später würde sie kommen, um sich ihren Dolch zurückzuholen. Auf diese Art würde sie wenigstens eine Menge Lärm machen müssen, um die Tür aufzudrücken. Außer, sie wäre vielleicht dazu in der Lage, sich in eine Nebelsäule zu verwandeln und durch den Schornstein zu fahren, was ihn nicht im Geringsten verwundert hätte.
    Dieser feenhafte Kobold ähnelte keiner Frau, die er je getroffen hatte. Sie sah so zerbrechlich aus, so engelsgleich und war doch eine wahre Höllenkatze. Eine kraftvolle, kreischende Wodjanoi, eine Meereshexe aus den furchteinflößenden Geschichten, die seine Amme ihm erzählt hatte, als er noch ein Kind gewesen war.
    Vielleicht kamen ihre Krallen nur im Mondlicht zum Vorschein, denn beim Bankett war sie nichts als Lächeln und unbekümmerter Liebreiz gewesen, selbst dem ernsten jungen Priester gegenüber, der an ihrer Seite gesessen hatte. Keiner der Männer in dem großen Saal hatte die Augen von ihr wenden können, einschließlich ihm selbst, auch wenn er sich bemüht hatte, es sie nicht merken zu lassen. Damit sie sich in Sicherheit wiegte, hatte er so getan, als würde er sie überhaupt nicht wahrnehmen. In Wahrheit hatte er sie in dem Augenblick gesehen, in dem sie mit der französischen Delegation den Saal betreten hatte.
    Wie auch nicht? Es war, als wäre sie von einem silbrigen Meer aus Licht umgeben. Seine „Smaragdlilie“. Die Frau, die erst die Lust in ihm geweckt und dann versucht hatte, ihn umzubringen.
    Er hatte gewusst, dass sie zu ihm kommen würde. Man sagte ihr nach, kurzen Prozess mit den Feinden Frankreichs zu machen. So war es einem gewissen Monsieur Etampes ergangen, der es gewagt hatte, ein doppeltes Spiel zu spielen, indem er nicht nur für Frankreich, sondern auch für Spanien als Agent tätig gewesen war. Wahrhaft ein groteskes Ende. Und dass Nikolai sich herausnahm, noch am Leben zu sein, war eine Beleidigung für sie.
    Doch während der langen Monate, die seit Venedig verstrichen waren, hatte er vergessen, was ihre Gegenwart in ihm auslöste. Ihr exotisches Parfüm, das kalte Licht in ihren Augen – das alles verzauberte ihn wie ein starker Wein. In Zukunft würde er vorsichtiger sein und einen Weg finden müssen, sie aus sicherer Entfernung zu bekämpfen. Oder er würde enden wie der arme Etampes oder Signor Farcinelli aus Mailand, der ein ähnliches Schicksal erlitten hatte wie der französische Doppelagent.
    Plötzlich musste Nikolai lachen. Ein guter Kampf belebte ihn immer, und die „Smaragdlilie“ – oder Marguerite Dumas, wie er jetzt erfahren hatte – teilte sicher so gut aus, wie sie einzustecken wusste. Obwohl sie so zierlich war, hatte er eine beträchtliche Kraft aufwenden müssen, um sie zu bändigen und sie daran zu hindern, dass sie ihn trat und kratzte. Und er hatte all seine Disziplin aufwenden müssen, um zu ignorieren, wie sich ihr Körper anfühlte, als er sie festhielt.
    Er öffnete das Wams, warf es zusammen mit dem Hemd auf das schmale Bett und ließ den kalten Luftzug, der vom offenen Fenster hereinwehte, über sein Gesicht und die nackte Brust streichen. Die Sonne lugte gerade über den Horizont. Ein schmaler Streifen rosa-goldenen Lichtes, das

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