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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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notwendig war, jede nur erdenkliche Rolle vorzuspielen. Trotzdem entdeckte sie in seinen Augen nicht die angespannte Wachsamkeit, die sie in sich selbst immer spürte. Dabei hatte sie ihn den ganzen Abend über genau im Blick behalten.
    Am Ende musste sie daraus schließen, dass er sie wirklich nicht bemerkt hatte, und das war nur zu ihrem Vorteil. Selten war eine Aufgabe so leicht gewesen. Und nun war sie bald ausgeführt. Der Seitenflügel, in dem die spanische Delegation wohnte, lag jetzt direkt vor ihr. Der stumme Koloss aus Backstein schlummerte friedlich.
    Sie verlangsamte ihre Schritte und schlich nun auf Zehenspitzen, während sie einen Marmorbrunnen umrundete. Der Faun, der hoch oben auf seiner Spitze schwebte, sah wissend auf sie hinunter, als sie den Dolch aus seiner Scheide unter ihrem Rock hervorzog. Kühl und fest spürte sie den Griff in ihrer Hand. Ein Mondstrahl tanzte auf der polierten Klinge. Jetzt war sie so nahe …
    Plötzlich schoss eine Hand hinter dem Brunnen hervor und schloss sich schmerzhaft um ihren Arm. Sie wollte schreien, doch eine andere Hand legte sich fest auf ihren Mund. Blitzschnell wurde Marguerite ruckartig nach hinten gegen eine harte Brust gerissen.
    Sie versuchte, sich aus der eisernen Umarmung zu befreien. Es gelang ihr, eine Hand freizubekommen, und sie stach mit ihrem Dolch zu. Das Geräusch zerreißender Seide klang laut durch die kalte, stille Nacht.
    „ Prokljatyj !“, fluchte der Mann, der sie überfallen hatte. Er packte ihr Handgelenk und drückte fest zu, bis Marguerite die Finger öffnete und das Messer auf den Weg fiel.
    Natürlich . Sie hätte es wissen müssen. Der Russe. War sie nicht überzeugt gewesen, dass niemand so sorglos sein konnte, wie er es zu sein vorgab? Wie es schien, war sie die Sorglose gewesen.
    Wie eine weiß glühende Sternschnuppe durchfuhr heißer Zorn sie. Wie wahnsinnig begann sie, um sich zu schlagen und um sich zu treten. Sie wand sich wie ein wildes Tier, das in eine Falle geraten war.
    „ Crapule !“, schrie sie unter seiner Hand hervor.
    „Pariser Höllenkatze“, knurrte Nikolai und umklammerte ihren Arm noch fester. Blitzartig erinnerte sie sich an jene Nacht in Venedig. An seinen eleganten, schmalen Körper, der, gestählt von jahrelangen Purzelbäumen und Saltos, von außerordentlicher Kraft war. Ihren Waffen gegen so eine Kraft waren Schnelligkeit und Überraschungstaktik. Aber durch ihre eigene Unvorsichtigkeit hatte sie ihre Chance verschenkt.
    Schon zum zweiten Mal hatte sie ihn unterschätzt. Das durfte nicht noch einmal passieren.
    Das hieß, wenn sie jemals noch die Möglichkeit dazu bekommen sollte. Er konnte ihr sehr wohl jetzt die Kehle aufschlitzen und sie den englischen Krähen überlassen.
    Der Gedanke traf sie wie ein kalter, übelkeiterregender Schlag in den Magen. Mit aller Macht versuchte sie noch mal, sich aus seiner tödlichen Umarmung zu befreien. Aber es nützte ihr nichts, sie kam gegen ihn nicht an.
    „So also treffen wir uns wieder, ‚Smaragdlilie‘“, flüsterte er ihr ins Ohr, und in seiner Stimme klang ein wütendes Vergnügen mit. „Oder soll ich Euch Madame Dumas nennen?“
    „Nennt mich, wie Ihr wollt“, sagte sie, nachdem er endlich die Hand von ihrem Mund genommen hatte. „Wenn ich an Euch denke, werde ich mich an le cochon erinnern. Einen schmutzigen, barbarischen Russen!“
    Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Wie sehr Ihr mich verletzt, Madame. Dabei spricht man immer vom großen Charme der französischen Damen. Wie traurig, so desillusioniert zu werden.“
    „Ich würde meinen Charme nicht an Euch verschwenden. Moskauer Widerlinge haben für solche Feinheiten keinen Sinn.“
    „Wie sehr Ihr mich verletzt, ma petite .“ Er drehte Marguerite zu sich herum und drängte sie rückwärts, bis sie die feste Backsteinmauer im Rücken spürte. Ostrowski hob sich als Silhouette gegen das Mondlicht ab. Sein Haar war ein schimmernder Vorhang, der ihm golden über eine Schulter fiel. Sein Gesicht lag im Dunkeln, sodass Marguerite nicht darin lesen konnte, aber sein Atem streifte kühl Marguerites Wange und sein klarer, sommerlicher Duft vernebelte ihr die Sinne. Er trug keinen Mantel, um sich gegen die Kälte zu schützen, doch sein in dünne Seide gehüllter Körper fühlte sich warm an.
    Plötzlich erwachte in Marguerite jenseits der Wut die Angst, und sie erschauerte.
    Als führte er in einem Festsaal eine leichte Konversation, meinte er im Plauderton: „Ich sollte derjenige

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