Die Sehnsucht der Smaragdlilie
Euch tanzen sehen will, Madame, dann werdet Ihr gewiss tanzen.“
Marguerite musste lachen. War es nicht das, was sie immer tat? Auf Kommando tanzen? Zuerst für ihren Vater, dann für König François. Warum nicht für Doña Elena?
Doch musste es mit Nikolai sein? Wachsam blickte sie ihm entgegen. Das spanische Mädchen, das nun ohne ihn auskommen musste, kommentierte sein Gehen mit einem hübschen kleinen Schmollen. Er verbeugte sich vor Doña Elena und lächelte zu ihr auf. Marguerite entging nicht, dass auch er vorsichtig war. Ein Schatten lag über seinen blauen Augen.
„Wie immer stehe ich Euch zur Verfügung, Doña Elena“, sagte er galant. „Was wünscht Ihr? Soll ich Euch Orangen aus Madrid holen? Zimt aus Indien? Perlen aus den Tiefen des Meeres?“
Doña Elena lachte fröhlich und tätschelte ihm mit ihrer weichen Hand die Wange. „Später vielleicht! Im Augenblick habe ich eine viel einfachere Aufgabe für Euch, eine, von der ich sicher bin, dass sie Euch Freude bereiten wird.“
„Nennt sie nur, meine Duquesa, und ich werde sie für Euch erfüllen.“
„Ihr müsst den nächsten Tanz mit Señorita Dumas tanzen. Ich möchte sie tanzen sehen, und es gibt keinen besseren Partner für sie als Euch.“
Marguerite erinnerte sich an Nikolai auf dem Seil, an die leichten, mühelosen Bewegungen seiner nackten Füße, an seine angespannten Muskeln, als er zum Salto rückwärts ansetzte. Oui , er würde gewiss ein geschickter Tänzer sein. Sie zitterte bei dem Gedanken daran, dass er sie führen, sie berühren würde. Allein die Vorstellung davon, wie sie einander zärtlich streifen würden, wenn er sie hochhob, verursachte ihr ein Kribbeln in der Magengegend.
Konnte sie sich selbst trauen?
Nikolai warf ihr einen Blick aus den Augenwinkeln zu, so unergründlich wie der einer Katze. „Es wäre mir eine Freude, mit Madame Dumas zu tanzen, wenn sie mich denn als Partner haben will“, sagte er.
Voll erkennbarer Zufriedenheit lächelte Doña Elena wie ein molliges, verschmitztes Kätzchen, das gerade an der Sahneschüssel genascht hatte. So war die ganze spanische Abordnung – eine Bande von Katzen, verschlagen, launisch, schön und nicht vertrauenswürdig.
Als Nikolai um den langen Tisch herum auf Marguerite zuging, packte Pater Pierre mit einem Mal ihren Arm mit hartem Griff. Erschrocken schaute Marguerite ihn an. Er war so still, dass sie fast vergessen hatte, dass er da war und neben ihr lauerte.
„Ihr solltet Euch nicht mit diesen Leuten einlassen, Madame“, zischte er. „Sie sind nicht das, was sie scheinen!“
Marguerite bemühte sich, unbekümmert zu lachen und versuchte, ihren Arm aus seinem schmerzhaften Griff zu befreien. Was war denn in ihn gefahren? Sie hatte ihn zwar schon zuvor wegen seiner intensiven Blicke als unangenehm empfunden, doch er hatte sie noch nie zuvor gepackt . „Aber Pater Pierre, ich tanze doch nur mit dem Mann! Ich brenne nicht mit ihm nach Madrid durch.“
Obwohl es in diesem Moment verlockend erschien, vor diesem Ort, vor all diesen Menschen mit ihren geheimen Plänen in den sonnigen Staub des fernen Spaniens zu fliehen. Sie riss sich von Pater Pierre los, als Nikolai zu ihr trat, und nahm dankbar seine Hand. Er führte Marguerite zum Rand der Tanzfläche, wo sie warteten, bis der Saltarello endete. Im wogenden Gedränge aus glänzender Seide und kunstvollen Frisuren, den vielen Gesichtern waren König Henry und Anne Boleyn nicht mehr zu sehen.
„Wer ist dieses Skelett von einem jungen Mann?“, fragte Nikolai.
Marguerite blickte zurück zu Pater Pierre, der sie immer noch beobachtete, und ein Schauder überlief sie. Er sah wirklich wie ein Skelett aus, wie eine Figur aus einem alten Memento-mori -Gemälde. Der Tod besuchte ein Bankett. Bleich und ernst, ein ewig anwesender Mahner, der an Pflicht und Schicksal erinnerte.
Als ob sie ihn brauchte, um daran erinnert zu werden, dass sie verdammt war! Das wusste sie in jedem Augenblick.
„Pater Pierre LeBeque“, antwortete sie. „Er ist einer der Begleiter von Bischof Grammont.“
„Er scheint Euch nur äußerst widerstrebend gehen zu lassen, was ich ihm aber kaum verübeln kann.“
„Ich weiß nicht, was er will“, sagte sie ungeduldig. Entschlossen wandte sie sich von dem Priester ab und spielte mit einem Band an ihrem Ärmel. Sie musste ihre Finger beschäftigen, um sich davon abzuhalten, nach der verlockenden, goldenen Haarpracht Nikolais zu greifen. Es fiel ihm über die Schultern wie ein glattes,
Weitere Kostenlose Bücher