Die Sehnsucht der Smaragdlilie
sie zwischen Roger Tilney und Doña Elenas Gatten, dem Duque de Bernaldez, saß. Doña Elena, die ihnen gegenüber Platz genommen hatte, begrüßte sie glücklich und erzählte ihrem Gatten von ihrem nachmittäglichen Spaziergang am Fluss.
„Und sie hörte mir zu, wie ich über Marcos plauderte und darüber, wie wir uns kennenlernten, mi corazón, ohne sich im Geringsten zu beklagen!“, sagte Doña Elena. „Was für eine Geduld!“
„Ganz und gar nicht, Doña Elena“, antwortete Marguerite. „Ich genoss unser Zusammentreffen sehr. Man kann sich einsam fühlen in einem fremden Land, und Eure Gattin, Don Carlos, ist sehr liebenswürdig.“
Er schenkte ihr ein herzliches Lächeln, und Marguerite stellte fest, dass er, was gutes Aussehen und freundliche Augen betraf, zu seiner Frau passte. Trotz der sehr förmlichen Kleidung aus schwarzem Samt und dem dichten weißen Haar und Bart waren die Blicke, die er Doña Elena zuwarf, äußerst hingebungsvoll. „Sie ist wirklich liebenswert, Señorita Dumas, und ich freue mich, dass sie hier eine neue Freundin gefunden hat. Es ist nicht leicht für sie, jetzt so weit weg von ihrem Sohn zu sein. Ich bin über jede Ablenkung glücklich, die Ihr ihr bieten könnt. Vielleicht gebt Ihr uns die Ehre, uns nach dem Bankett zu einer kleinen Partie Karten in unsere Räume zu begleiten?“
„Oh ja, sagt, dass Ihr kommen werdet, Señorita Dumas“, drängte Doña Elena. „Es sind nur einige wenige Freunde da, um ein wenig Primero zu spielen. Und es wird viel ruhiger zugehen als bei diesen großen Festen. Ich würde Euch gerne besser kennenlernen.“
„Merci, Doña Elena. Ich nehme Eure Einladung sehr gerne an.“
Das war ja einfacher, als sie erwartet hatte. Zufrieden mit den Fortschritten, die sie machte, lehnte sie sich zurück. Dann spürte sie ein brennendes, stechendes Prickeln in ihrem Nacken, als würde eine Nähnadel sie stechen. Sie legte den Finger auf die Stelle unter ihrem Haar, blickte den Tisch entlang und entdeckte, dass Nikolai sie beobachtete.
Sie überraschte ihn in einem Moment, in dem er seine heitere Maske abgelegt hatte. Er wirkte ernst und nachdenklich, als er sie ansah. Seine Augen waren ausdruckslos. Doch selbst auf diese Entfernung konnte Marguerite noch ihre Kraft spüren, als wären sie himmelblaue Dolche. Sie fühlte sich ertappt, an ihren Platz gebannt, unfähig, sich zu bewegen oder einen klaren Gedanken zu fassen. Der große, überfüllte Saal schien um sie herum zu verschwinden, und sie nahm nur noch Nikolai wahr.
Er grinste sie an, brach den Zauber und hob den Kelch in seiner rechten Hand zum spöttischen Gruß. Als sie wieder zu sich gekommen war, entdeckte sie, dass er neben einer von Doña Elenas jungen Begleiterinnen saß, die ihn strahlend anblickte. Die Bewunderung seiner Person stand ihr unübersehbar in ihr hübsches, herzförmiges Gesicht geschrieben.
Marguerite wandte sich ab und trank einen großen Schluck Wein. Es war ein wundervoller Wein aus der Provence, den selbst ihr Vater nicht verachtet hätte, der fest daran geglaubt hatte, nur seine Heimat, die Champagne, könne wirklich gute Weine hervorbringen. Allerdings war Marguerite kaum dazu in der Lage, den guten Tropfen zu genießen, zu sehr war sie von der Gegenwart des Russen abgelenkt.
Doña Elena am Tisch gegenüber fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu. „Mein Plan funktioniert!“, flüsterte sie ihr zu.
Mehr konnte sie nicht sagen, denn eine Prozession von Dienern trug unter dem Applaus der Hofgesellschaft ein zauberhaftes, kunstvoll gearbeitetes Werk herein. Es war die Nachbildung des Schlosses von Greenwich. Man hatte es mit all seinen Türmen und Höfen und Fenstern aus Zucker und Mandelpaste angefertigt. Sogar einen Fluss aus blauem Marzipan gab es, auf dem winzige Boote und Barken schwammen. Doch wie auch beim Wein, wusste Marguerite das Kunstwerk nicht zu würdigen. Immer noch prickelte ihre Haut, und es brauchte all ihre Kraft, sich nicht nach Nikolai umzudrehen und ihn anzustarren wie ein einfältiges Bauernmädchen.
Das Schloss aus Zucker wurde König Henry und Königin Katharina präsentiert. Ihm folgten herzhaftere Genüsse wie Fleisch, Fisch und gestampftes Gemüse.
Roger Tilney legte Marguerite ein zartes Stück Ente mit Orangensoße auf den Teller. „Wie gefällt es Euch bis jetzt in England, Madame Dumas?“
Marguerite bedachte ihn mit einem Lächeln und spießte das Fleisch mit ihrem Messer auf. Es erweckte eine kindische Freude in ihr, sich
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