Die Sehnsucht der Smaragdlilie
gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre.“
14. KAPITEL
Nach dem mit Farbgeruch erfüllten Theater wirkte die klare Luft erfrischend, fand Marguerite, als sie sich draußen auf eine Marmorbank setzte. Nikolai stand hinter ihr und reckte sich. Das grüne Schloss war fast fertig, und sie hatten Pause gemacht, um sich ein wenig zu erholen und einen Schluck Wein zu trinken.
Marguerites Hände und Arme waren voller grüner Farbflecke, und die Schultern schmerzten ihr, als hätte sie gerade ein Duell hinter sich gebracht. Aber selten hatte sie eine so tiefe, ruhige Zufriedenheit verspürt. Das Gefühl, eine Arbeit gut gemacht zu haben. Dank ihrer Mithilfe war das unechte Schloss jetzt vollkommen grün!
In einträchtigem Schweigen saß sie mit Nikolai hinter sich da und sah dem Aufmarsch der Höflinge und Diener zu, die vorbeieilten, um ihre Aufträge zu erledigen. In der Ferne sah Marguerite Prinzessin Mary mit ihrem Hauslehrer und ihren Hofdamen spazieren. Eine winzige, schlanke Gestalt, die von ihrem schweren purpurroten Gewand und dem dazu passenden Mantel fast niedergedrückt wurde. Trotz der vielen um sie besorgten Begleiter strahlte sie Einsamkeit aus.
Fast tat sie Marguerite leid, die arme kleine Prinzessin. Was würde sie in Frankreich erwarten, wenn sie erst einmal die Duchesse d’Orléans wäre? Erwartete sie wirklich etwas Besseres als ihr streng reglementiertes Leben hier?
„Ich stelle mir vor, dass du als Kind Prinzessin Mary ähneltest“, sagte Nikolai nachdenklich.
Marguerite lachte. Er hatte doch wohl nicht ihre Gedanken gelesen und ihr Mitleid mit der einsamen Prinzessin erraten? „Es gab keine Kaiser oder Prinzen, die um meine Hand anhielten, so wie bei ihr.“
„Dann waren sie ganz schön dumm. Nein, was ich meinte, war, dass du sicher etwas von ihrer Ernsthaftigkeit hattest. Etwas von ihrer Art, viel älter zu erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist. Die Vermittlung des Eindrucks, Dinge zu wissen – wichtige, unheilvolle Dinge –, von denen wir armen, unreifen Narren nicht hoffen können, sie je zu erfahren und zu begreifen.“
Marguerite schaute zu, wie der Hauslehrer auf etwas in Marys Buch deutete und die Prinzessin nickte, während eine Zofe besorgt ihren mit Pelz verbrämten Mantel richtete. „Vielleicht war ich als Kind wirklich zu ernst. Ich las viel, denn ich hatte das Glück, dass mein Vater mir das Lesen beibrachte. Ich lebte hauptsächlich in meiner Fantasie, in meinen Tagträumen. Doch gewiss hatte ich nicht so viele Leute um mich herum, die um mein Wohlbefinden besorgt waren!“
Nikolai stellte seinen bestiefelten Fuß auf die Bank neben ihr, stützte den Ellbogen aufs Knie und beobachtete die endlose Parade vor ihnen. „Noch nicht einmal dein Vater?“
Marguerite schüttelte den Kopf. „Mein Vater kümmerte sich um mich auf seine eigene Art, aber er hatte andere Sorgen. In unserem Haushalt ging es eher drunter und drüber, da es keine Hausherrin gab und die Bediensteten rasch kamen und genauso rasch wieder verschwanden. Du musst wissen, dass meine Mutter bei meiner Geburt starb.“
„Das tut mir leid, Marguerite“, sagte er, und sie fühlte, wie sein Blick dunkel und voller Besorgnis auf ihr ruhte.
Sie wollte sein Mitleid nicht! Von ihm am allerwenigsten! Alles konnte sie von ihm ertragen, aber das nicht.
Sie zuckte die Achseln. „Das ist nicht so ungewöhnlich. König Henrys Mutter starb auch bei der Geburt, nicht wahr? Dass sie eine Königin war, konnte sie auch nicht retten.“
„Weißt du noch viel über deine Mutter?“
Marguerite schloss die Augen und sah, wie ihr Vater den Diamantanhänger ihrer Mutter, der in der Sommersonne der Champagne funkelte, vor ihren Kinderaugen hin- und herschwang, bis er ihn schließlich in ihre begierige kleine Hand fallen ließ. „Sie war eine Kurtisane, die schönste und berühmteste von ganz Paris. Prinzen und Herzöge buhlten um ihre Gunst. Mein Vater sagte, ihre Schönheit wäre nur noch von ihrer Herzensgüte übertroffen worden.“
„Also gewann er sie für sich vor allen Herzögen und Prinzen.“
Marguerite lächelte, während sie sich die Geschichte wieder ins Gedächtnis rief. „Das tat er. Mein Vater stammte aus einer alten Familie, aber einer entsetzlich armen. Und durch seine Liebe zum Kartenspiel wurde sie noch ärmer, fürchte ich. Er liebte meine Mutter über alles. Sie lebten allein in seinem alten, zerfallenden Schloss in der Champagne und waren zwei wunderbare Jahre lang glücklich. So erzählte es
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