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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
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saß. Ihre gefalteten Hände ruhten gelassen im Schoß ihres Kleides aus blassgrünem Damast. Mit einem kleinen Lächeln betrachtete sie ihre Fingerspitzen. Heute Abend sah sie wie eine Frühlingsfee aus. In ihrem Haar schimmerten Perlen, und sie schien nur aus Blattgrün und Silber zu bestehen.
    Sie war sechzehn gewesen, als sie zum ersten Mal einen Mann tötete. Diese so ruhig und traurig ausgesprochenen Worte von ihr wollten nicht aufhören, ihn zu verfolgen. Sie war allein gewesen, verletzlich, jung, und niemand war da gewesen, um ihr zu helfen. Sie war von Leuten umgeben gewesen, die nur danach getrachtet hatten, sie auszunutzen. Sie hatte ihre Geschichte in einem sachlichen Ton erzählt, doch Nikolai hatte den unterschwelligen Schmerz spüren können, die tiefe Verletztheit, als sie sich an die Ereignisse erinnerte, die ihr Leben für immer verändert hatten. Natürlich verstand er das. Und er verstand auch, dass sie keine Wahl gehabt hatte.
    Das erklärte viel. Besonders den Eindruck, den er bislang von ihr gewonnen hatte. Dass sie nämlich ein kleiner, schöner Vogel war, der hinter goldenen Gitterstäben gefangen gehalten wurde. Und dass sie einen Teil ihres Selbst tief in ihrem Innern vor der Welt verborgen hielt, selbst vor ihm, wenn sie in seinen Armen lag.
    Zum ersten Mal sah er einen Riss in ihrer kalten, perfekten Fassade und hatte einen Blick auf ihr wahres Wesen erhaschen dürfen. Er hatte ihre verletzliche Seite gesehen.
    „Sie, die mich Liebe lehrt und zu ertragen Pein, schamvoll zu zügeln meine Hoffnung und mein heiß’ Verlangen, hin zu Betrübnis und Enthaltsamkeit …“
    Er beobachtete, wie Marguerite auf ihre Hand hinunterschaute und mit ihren Fingern über den perlenbesetzten Saum ihrer Robe strich. Was ging in diesem Moment in ihr vor? Bereute sie, ihm diesen kurzen Einblick in ihre Vergangenheit gestattet zu haben? Dass er ein wenig ihr Herz kennengelernt hatte? Oder überlegte sie nun, wie sie ihre Vertrautheit für ihre eigenen Ziele nutzen konnte?
    Betrübnis und Enthaltsamkeit.
    Plötzlich sah sie auf und entdeckte, dass er sie betrachtete. Einen Augenblick lang fiel ihre Maske, und ihre Augen waren voll Kummer. Einsamkeit. Sie waren von Menschen umgeben, waren nicht allein in diesem Raum, und doch waren sie die beiden einzigen Menschen auf der Welt. Miteinander verbunden durch die Erkenntnis, das sie einander verstanden und begehrten.
    Dann schlug sie wieder die Augen nieder, und er konnte nur noch die geschwungene Linie ihres marmorglatten Halses mit den schimmernden Perlen erkennen. In dem dämmrigen Licht sahen sie fast aus wie die Schlinge, der Marguerite als Mädchen so knapp entkommen war.
    Nikolai empfand das jähe Bedürfnis, zu ihr zu gehen, sie in die Arme zu schließen und sie so fest zu halten, dass nichts Böses oder Hässliches ihr je wieder etwas würde anhaben können.
    Doch das war ein närrischer Gedanke. Sie hatte ihren Lebensweg selbst gewählt. Und er den seinen – nämlich diese Welt der Intrigen, der Politik und der Gefahr weit hinter sich zu lassen. In ihrem Leben gab es keinen Platz für den jeweils anderen. Doch das änderte nichts an diesem Verlangen, an diesem Drang, die Frau beschützen zu wollen, die versucht hatte, ihn zu töten.
    Und die, nach allem, was er wusste, es sehr wohl noch einmal versuchen könnte. Er dachte an den Dolch mit dem funkelnden Smaragd im Griff, den er in seinem Zimmer versteckte. Vielleicht war es an der Zeit, ihn seiner Besitzerin zurückzugeben. Und die „Smaragdlilie“ ziehen zu lassen.
    Das Konzert endete mit lautem Applaus des Publikums, und Nikolai wich zur Wand zurück, um die Menge an sich vorbei aus dem Theater strömen zu lassen. Erst würde er Doña Elena sicher in ihre Gemächer begleiten und dann entscheiden, was mit dem Dolch zu tun war.
    Marguerite folgte der Comtesse so schnell, dass er kaum den Duft ihres Parfums wahrnehmen konnte, aber es gelang ihr dennoch, ihm rasch ein Stück Pergament in die Hand zu drücken.
    Ohne noch einmal zurückzublicken, verließ sie den Saal. Ihr hellgrünes Gewand verschwand im Dunkeln. Nikolai entfaltete den Zettel und überflog hastig die Botschaft. „Wenn es ruhig ist im Schloss, komme ich heute Nacht zu dir. M.“

15. KAPITEL
    Und was geschah danach? Nachdem du den wollüstigen Holländer getötet hattest?“
    „Hm?“ Marguerite hatte, den Kopf auf Nikolais Schulter, vor sich hin gedöst und träge mit den Fingerspitzen Kreise auf seine nackte Brust gezeichnet. Nach

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