Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
Sicherheit zu wissen.
Morgen um Mitternacht – darauf hatten sie sich verständigt. Normalerweise würde er sich von einem auf eine Serviette gekritzelten Vertrag nicht von seinen Plänen abbringen lassen; er schaffte es sonst immer irgendwie, sich darum herumzumogeln. Schließlich war er Julian Ascher und auf solche Tricks spezialisiert.
Aber diesmal war alles anders. Er würde sie gehen lassen. Nicht nur, weil seine Ehre es verlangte, sondern weil es das Beste für sie war. Er würde auch ohne sie überleben. Er musste einfach nur wieder sein gewohntes Leben aufnehmen als Meister der Verführung und Kenner der Lust. Er würde sich eine andere Frau, vielleicht auch zwei, suchen, um sich abzulenken. Das redete er sich zumindest ein.
Doch noch blieben ihnen ein paar Stunden zu zweit. Er dachte nach, wie er ihr in der restlichen Zeit größtmögliches Vergnügen bereiten konnte, wie viele Tausend Möglichkeiten ihm verblieben. Er küsste sie, doch das Gefühl, sein Leben wäre ohne sie nicht mehr dasselbe, konnte er nicht ignorieren.
Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, lümmelten sie noch eine Stunde im Bett herum und fütterten sich gegenseitig mit frischen Erdbeeren, die sie beim Zimmerservice bestellt hatten. Serena machte sich noch immer Gedanken über ihre Zukunft als Engel, das konnte Julian ihr ansehen. Dennoch schien sie entschlossen, den letzten Tag mit ihm zu verbringen. Also lagen sie einfach da, genossen die köstlichen Erdbeeren und ihre ebenso köstlichen Körper.
Da klopfte es plötzlich. Julian schlüpfte in einen Bademantel und ging zur Tür, um zu öffnen.
Vor ihm stand Corbin. Er musterte Julian und nickte kumpelhaft. „Du gerissener Hund. Um zwei Uhr mittags immer noch im Bett?“
Julian zog den Gürtel seines Bademantels enger und grinste Corbin verkrampft an. „Was willst du, Corbin?“
Ohne auf eine Aufforderung zu warten, spazierte er an Julian vorbei in die Suite und schaute sich um – vermutlich suchte er Serena. „Du warst gestern so schnell weg. Sehr schade. Es war ein denkwürdiger Abend. Seit dem ‚Summer of Love‘ 1967 hatte ich nicht mehr so viel erstklassiges Fleisch am Haken.“ Er lachte und zeigte seine weißen Zähne.
Julian lächelte. Doch anders als Corbin, brauchte er keine Orgie, um seine sexuellen Gelüste zu stillen. Alles, was er brauchte, war Serena.
„Ich komme nur vorbei, um dir mitzuteilen, dass ich heute Abend eine Pokerrunde veranstalte. Wäre schön, wenn du dabei wärst.“ Sein eindringlicher Blick verriet Julian, dass dies keine Einladung war, sondern eine Anordnung. „Der Buy-in liegt bei einer Million Dollar.“
Julian räusperte sich. Hier ging es nicht ums Geld. Geld konnte man im Handumdrehen verdienen. Wenn Corbin spielte, ging es um etwas anderes.
Er spielte um Seelen.
Eigentlich hatte Julian einen intimen Abend allein mit Serena geplant. Denn morgen Abend wurde der Klub eröffnet, und alles würde voller Menschen sein. Und dann musste er sie gehen lassen.
Und genau das wusste Corbin. Er setzte auf Serena, schon bevor das Pokerspiel begonnen hatte. Er wollte sie, hatte sie gestern auf seiner Party ja schon kurz in seinen Fängen gehabt. Doch das reichte Corbin nicht – das war Julian klar.
Verschwinde von hier, und nimm den Engel mit. Geh irgendwohin und schau nicht zurück, dachte Julian kurz. Doch das war keine Lösung. Davonlaufen gehörte nicht zum Repertoire eines Erzdämons. Er würde alles verlieren, wofür er die letzten zweihundert Jahre gearbeitet hatte. Das käme einem Eingeständnis von Verwundbarkeit gleich. Nein. Julian würde nicht davonrennen. Nicht vor einem Arschloch wie Corbin.
„Poker ist ja nicht so mein Spiel.“ Julian wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. Natürlich war das absolut gelogen. Poker war eines seiner Hauptgeschäfte im Devil’s Paradise und in seinen anderen Klubs. Er war ein Poker-Experte. Aber es schadete nie, gleich mit einem Bluff zu beginnen.
„Mach dir darüber keine Gedanken. Wir sehen uns heute Abend.“ Corbin lächelte. „Und vergiss nicht, Serena mitzubringen. Sie kann von der Galerie aus zusehen.“
„Natürlich.“ Julian verbarg seine Bestürzung.
Corbin verließ die Suite, und Julian ging zurück ins Schlafzimmer. Hinter diesem eiskalten Gesichtsausdruck verbarg sich etwas Schreckliches, das wusste Julian sofort.
Schwach bedeutet stark, stark bedeutet schwach. Das war das Geheimnis, das hinter den meisten „Tells“ steckte – dem unbewussten Handeln beim
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