Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schwarz
Vom Netzwerk:
Schlamm zu kommen als ich. Mir ist jedenfalls vollkommen klar - diese Schlammschlacht mache ich nur bis Hontanas mit.
    Schneller als erwartet bin ich dann doch in San Bol - im Wanderführer beschrieben als Notunterkunft für Pilger, immerhin mit Wasser und Bäumen, ohne Liegen, nicht sehr sauber. Naja, denke ich mir, immerhin wird man dort einen trockenen Platz finden, wo man den Rucksack abstellen kann. Am Weg steht ein großer Wegweiser, der auf San Bol aufmerksam macht. Ich muß doch lachen: Irgendein Spaßvogel hat mit Hand dazu geschrieben: Cafe - piscine - cocina, also Kaffee, Schwimmbad, Küche. Daß die diese Rumschmierei aber auch nicht lassen können...
    Das kleine Haus liegt ca. 150 m abseits vom camino. Als ich näherkomme, sehe ich hinter den Scheiben eine Bewegung, einen Moment lang kommt mir das Gespräch von gestern abend in den Sinn, in dem Hortense gesagt hat, man solle da nicht hingehen - wenn ich das Durcheinander von Spanisch, Englisch und Französisch richtig verstanden habe. Ein bißchen mulmig wird mir schon, aber dann denk ich, es sind bestimmt Doris und David, die Tee kochen - so eine Gelegenheit lassen die sich bestimmt nicht entgehen. Beim Näherkommen sehe ich, daß das irgendwie ein interessanter Bau ist, ein kuppelartiges Gebäude mit einem flachen Anbau. Als ich um die Hausecke biege, halte ich verdutzt inne: Auf einer Bank vor der Tür liegt, ordentlich aufgereiht, sauber gespültes Geschirr - und aus der Tür kommt eine junge Frau, begrüßt mich und fragt: »Do you want a cup of coffee?« Ich bin ziemlich verblüfft angesichts der Aussagen meines Wanderführers - und muß mich ein bißchen zusammenreißen, um ein höfliches »that would be fine!« hinzukriegen. Ich nehm den Rucksack ab und trete ein, immer noch leicht verwirrt. Drinnen finde ich mich in einer Art Küche und Eßzimmer wieder, auf einem Gaskocher brodelt Wasser in einem Topf, auf dem Tisch steht eine große Thermoskanne mit Kaffee. Rechterhand sind in einem großen Raum vier oder fünf Stockbetten, da gibt es einen mit Decken und Schnur improvisierten Kleiderschrank - alles sehr sauber und ordentlich. Und als ich nach links schaue, in diesen Kuppelbau, erinnert mich das sehr an eine Kapelle - hinten brennt in einem roten Glas eine Kerze, in der Mitte steht ein frischer Blumenstrauß, an der Seite steht ein großes Schachspiel, an der Wand ein großes Bild u. a. mit einem Templer darauf, die Kuppel selbst ist dunkelblau ausgemalt mit Sternen darauf, an den Stirnseiten jeweils ein unterschiedliches Kreuz. Und - jetzt packt es mich aber endgültig - aus dem Kassettenrecorder kommt Musik, und zwar Loreena McKennitt mit ihrem Lied »The dark night«, ihre Vertonung des Textes von Johannes vom Kreuz, »Die dunkle Nacht«, das eines meiner Lieblingslieder ist und mit dem ich daheim oft bei Kursen arbeite.
    Du meine Güte, wo bin ich denn hier auf einmal hingeraten? Mitten in Nordspanien, in einer Senke der Hochfläche, Loreena McKennitt und die Templer, Kaffee und Kekse... ich fasse es irgendwie nicht.
    Wenn ich das Sprachengemisch richtig verstanden habe, hat sich Luis dieses »Notquartiers« angenommen und lebt den größten Teil des Jahres hier. Bei ihm sind einige Frauen, zumindest für einen Teil des Sommers - und der Hund, der grad neugierig zur Tür hereinkommt, scheint sich auch dazu gesellt zu haben.
    Der Ort, die Atmosphäre hat was - dort hätte ich auch bleiben können - und wurde auch sehr herzlich eingeladen. Aber irgendwas ist mir auch fremd. So ziehe ich nach dem zweiten Kaffee wieder los, freundlichst verabschiedet und nicht ohne den Hinweis, daß die Strecke nach Hontanas aufgrund der Nässe schwierig zu gehen sei.
    Übrigens: Nachdem sich schon der Kaffee und die Küche bewahrheitet hatten, war auch das Schwimmbad nicht gelogen - es war ein Brunnenbecken, mit 1 auf 2 Metern und 50 cm Tiefe sicher nicht allzu groß - aber immerhin. Dafür hatte es garantiert frisches Wasser.
     
    Castrojeriz, 19.30 Uhr
    Nach dem interessanten Zwischenspiel in San Bol kämpfe ich mich wieder zur Höhe vor - inzwischen war der Schlamm an den Füßen ein bißchen rötlicher geworden, man konnte an den Schuhen deutlich die beiden unterschiedlichen Schichten sehen. Aber immerhin - es ging halbwegs.
    Und wieder einmal verliere ich mich in der Weite des Himmels, in das faszinierende Spiel der Wolken, der Unendlichkeit dieser Hochebene, der Farbenfülle der Blumen, dem Gesang der Lerchen, dem sanften und leisen Wind - als ich

Weitere Kostenlose Bücher