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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schwarz
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tun, sondern irgendwas mit »Messe herunterlesen«. Ich bin nur froh, daß ich in Spanien auch schon andere Gottesdienste erlebt habe.
    Am Abend treffen wir uns, vollkommen unverabredet, in der Bar - nun wird es unweigerlich der letzte Abend sein, den wir zusammen verbringen. Doris und David werden bleiben müssen - Therese und Francois sind schneller als ich.
     
     

Sonntag, 8.6.
     
     
    Castrojeriz, 7.30 Uhr
    Die Nacht war eher unangenehm. Der Italiener neben mir gab dauernd seltsame Geräusche von sich, jemand schnarchte, um sechs Uhr machten sich die beiden französischen Radfahrer zum Aufbruch bereit: Licht an, die Kaffeemaschine blubberte, lautes Rascheln von Plastiktüten. Irgendwann läßt der Refugio-Leiter klassische Musik laufen, kocht Kaffee - aber mir ist da alles zu eng und zu viel und zu laut, und ich verzieh mich in den Garten. Die schönste Szene heute morgen: Ein Mann, in einem richtig schön geblümten Schlafanzug, steht in der Küche und rasiert sich. Unter den Bedingungen wirkt es doch ein bißchen bürgerlich.
    Als ich gestern noch mit Doris über San Bol sprach, erzählte ich zögernd von meinem Eindruck, daß es ein Ort mit einer Ausstrahlung ist, die möglicherweise auf schwache Menschen sehr anziehend wirkt. Und daß es vielleicht eine gewisse Stärke braucht, sich diesem Ort wieder zu entziehen, sich erneut auf den Weg zu machen. Doris sah mich erstaunt an - daß sei genau das, was Hortense an dem Abend im Refugio in Hornillos gesagt habe.
     
    Itero de la Vega, 12.30 Uhr
    Manche Entscheidungen treffe ich doch recht schnell. Am Ortsausgang von Itero sitzend, bin ich gerade noch Therese begegnet, und habe ihr signalisiert, es ist alles okay. Aber ich bin doch ziemlich müde, das Wetter sieht sehr nach Gewitter aus, beim Treppenruntergehen habe ich vorhin Schmerzen im Knie gehabt. Bis Frómista sind es noch 14,5 km, sicher vier Stunden Gehzeit, eher mehr, wenn ich müde bin. Hier im Ort gibt es ein kleines, einfaches Refugio, in dem jetzt bestimmt noch kein Mensch ist - und die Aussicht auf einen Mittagsschlaf finde ich eigentlich auch nicht so schlecht. Und gegenüber ist die Bar Central mit Perspektive auf ein Bier und etwas Warmes zu essen. Ideal wär’s natürlich schon, wenn ich hier alleine bleiben würde, aber wenn nicht, dann ist es auch okay. Und mit einem guten Mittagsschlaf werde ich die Nacht schon überstehen... was soll ich noch lang herumreden, ich bleibe hier.
    Ich glaube, dieser halbe Ruhetag wird mir gut tun - und es waren immerhin 15 km heute, auch wenn es offiziell nur elf waren. Von Castrojeriz aus bin ich wieder auf die Straße gewechselt, die Strecke war zwar einige Kilometer länger - aber ich wollte dem Knie den Auf- und Abstieg ersparen, der mich auf dem direkten Weg erwartet hätte. So kam ich auf der Straße ganz gut in meinen Laufrhythmus, mußte wenig über den Weg nachdenken, konnte mich mit den Augen von Strommast zu Strommast hangeln, so daß es sich einfach ging.
    Dann kommt die Stelle, an der ich unschlüssig werde: die Markierung, ein dicker, gelber Pfeil zeigt nach rechts, vollkommen anders, als in den Führern beschrieben - und ich meinte auch den Refugio-Leiter gestern abend so verstanden zu haben, daß man nicht nach Itero del Castillo gehen sollte. Aber bisher hat die Markierung immer gestimmt und war aktueller als die Führer. Und ob ich das gestern abend mit meinem wenigen Spanisch wohl wirklich richtig verstanden habe?
    Ich traue der Markierung und biege rechts ab. Nach einem Kilometer komme ich in ein kleines Dorf - kein gelber Pfeil ist mehr zu sehen. Ich irre ein bißchen umher, lande schließlich mal wieder bei der Kirche, die von außen ganz hübsch aussieht. Ein netter Spanier organisiert den Küster, der extra für mich die Kirche aufschließt, die mich im Inneren aufgrund ihrer extremen Ansammlung von Kitsch etwas erschlägt - und als er dann noch freundlicherweise Musik einspielt, die mich an den Musikantenstadl erinnert, kann ich mich nur noch höflich bedanken und dezent den Rückzug antreten.
    Vor der Kirche zücke ich mal wieder die Wanderführer - mir wird klar, daß ich eine Brücke über den Fluß finden muß. So kann ich jetzt immerhin nach der Brücke fragen - und einige nette Männer zeigen mir den Weg aus dem Ort hinaus - zurück auf die Landstraße. Was soll das denn jetzt, frage ich mich. Wozu um alles in der Welt der Umweg durch dieses Dorf hindurch?
     
    Itero de la Vega, 17.00 Uhr
    ... und in dem Moment kam Piet in die

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