Die Sehnsucht ist größer
der allabendlich übertragen wird? Es gibt so vieles, was ich nicht weiß und nicht verstehe...
Bei Jean Vanier habe ich gestern abend noch eine interessante Stelle gefunden:
Wenn Menschen ihre Familien, ihre Kultur und die ihnen vertrauten Wege verlassen und wie Abraham dem Ruf Gottes folgen, in ein fremdes Land aufzubrechen, werden sie auf Menschen stoßen, die anders sind,..., sie werden Verlust erleiden und eine Zeit der Trauer durchmachen. Sie tun sich nicht leicht, ihre Sicherheiten loszulassen, und sich stattdessen auf eine Welt einzulassen, die so anders ist und die so weh tut.
Tardajos, 21.10 Uhr
Lieben heißt nicht, vom eigenen Reichtum etwas abzugeben, sondern lieben heißt, den Mitmenschen ihre eigenen Reichtümer, ihre Gaben und ihren Wert aufdecken und an sie und ihre Entfaltungsmöglichkeiten glauben.
Leben schenken heißt: Voller heiligem Staunen und voller heiliger Verehrung vor dem Geheimnis des Menschen stehen; es heißt: in und jenseits aller Zerbrochenheit die Schönheit sehen.
Freitag, 6.6.
Hornillos, 16.00 Uhr
Die 10 km-Etappen sind im Moment gerade richtig für mein Knie - und das war eine schöne Etappe!!
Heute morgen entsprach mein innerer Schweinehund etwa der Größe eines Bernhardiners. In der Nacht hatte ich das Knie immer mal wieder gespürt - und die Verlockung war groß, doch auf den Bus umzusteigen. Das wunderschöne Wetter hat dann den Ausschlag gegeben - jetzt wird weitergelaufen, so ein Wetter läßt man nicht einfach so vorbeiziehen. Ein bißchen Angst hatte ich vor dem Abstieg nach Hornillos, der im Wanderführer als steil beschrieben wird. Aber ich muß es jetzt einfach probieren - vom Busfahren werde ich auch nicht schlauer, was das Knie im Moment verkraftet und was nicht. Also gut - gepackt und los.
Erster Zwischenhalt ist in der Bar, zwei Stockwerke tiefer. So wie man das Wetter nicht einfach an sich vorübergehen lassen sollte, sollte man auch die Chance eines Kaffees am Morgen nicht ungenutzt verstreichen lassen - zumal, wenn es dann auf der gesamten Strecke in dieser Richtung nichts mehr gibt. In der Bar treffe ich Doris und David, zwei Engländer, die heute morgen von Burgos gekommen sind. Doris hat auf ihrem Rucksack einen kleinen Teddy, als Pilger angezogen. Und die beiden freuen sich an meinem Pinguin auf dem Rucksack.
Ich zeige ihnen noch den Weg zum Lebensmittelgeschäft, dem letzten vor Castrojeriz - und treffe sie einige Zeit später dort auch noch. Die Verkaufsgespräche sind spannend, die Besitzerin hat Erfahrung mit Pilgern und fragt ziemlich routinemäßig alles ab, was man eventuell brauchen könnte. Ich kaufe nur Obst und Brot und will endlich die Dose Thunfisch verbrauchen, die ich schon seit Trinidad de Arre mit mir herumschleppe.
Mit Doris und David zusammen gehe ich los - ein ganz neues und ungewohntes Gefühl für mich. Und es muß ein schönes Bild gewesen sein, die beiden Rucksäcke mit Teddy und Pinguin nebeneinander.
In Rabanal wollte ich am Dorfbrunnen noch Rast machen -und ließ die beiden weiterziehen. Als eine Frau vorbeikommt, frage ich sie, ob die Kirche offen sei - sie nickt und winkt mir, mitzukommen. In der Kirche sitzen einige Menschen, die Kerzen brennen, ich bin grad mal wieder zum Gottesdienst zurecht gekommen.
Als ich die Kirche verlasse, hängen dunkle Wolken am Himmel - und ich denke noch, naja, irgendwann muß mich der Regen ja mal erwischen. Aber es bleibt trocken - der Wind ist zu stark.
Und so komme ich heute zu einer wunderbaren Wegstrecke -der Wind geht durch die grünen Getreidefelder wie Wellen auf einem Meer, ich laufe durch eine schier endlose Weite, alles blüht und ist kraftvoll grün, Sonne wechselt ab mit faszinierendem Wolkenspiel, der Weg ist einsam und schön. Ich spür mich weit -diese Landschaft und dieser Himmel lassen keine Enge zu. Ich schaue und bin und gehe..., komme zeitweise sogar in einen Rhythmus hinein. Fast scheint es mir, als ob es mich ginge...
Auf der letzten Anhöhe vor Hornillos treffe ich Doris und David, die gerade aufbrechen. Sie haben Lunch gemacht und dazu Tee gekocht. Mich fasziniert es, wie man mitten in Nordspanien auf dem camino so konsequent englische Lebensart praktizieren kann. Ich bleibe noch eine halbe Stunde dort auf der Anhöhe, Hornillos schon vor Augen - und der steile Abstieg erweist sich als Feldweg mit ein paar Steinen darauf, der ganz gemütlich bergab führt. In dem Moment zweifle ich ein bißchen an dem Schreiber des Wanderführers - da gab
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